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Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
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Tür hinter sich. Dann eilte sie zurück in ihre privaten Gemächer.
     
    Während die Königin in den Tagebüchern ihres Ahnen las, nahm Sigbrit Holland ihre Durchsicht der Landkarten des Land- und Katasteramtes wieder auf. Seit Odin aus dem Krankenhaus verschwunden war, waren sieben Tage vergangen, und Sigbrit Holland sah es als sicher an, sich wieder hinauszuwagen. Sie entschuldigte sich wieder einmal mit Kopfschmerzen und verließ die Bank um elf Uhr vormittags, um den ganzen Nachmittag im Archiv zu verbringen.
    In Laurentz Benedichts Navigationsbuch von 1568 wurde Urö in Zusammenhang mit der Beschreibung des Schifffahrtswegs durch die Meerenge erwähnt. Dann sah sie es.
     
    Südlich von Urö befindet sich eine lange Reihe gefährlicher Klippen, die sich über zwei Meilen erstrecken und sowohl von Westen also auch von Osten umschifft werden sollten.
     
    »Ja!«, rief Sigbrit Holland laut, und die anderen Besucher der Spezialarchive drehten sich um und starrten sie böse an. Dann nahm ihre Begeisterung ab – das, was sie gefunden hatte, war in Wirklichkeit nicht viel wert. Der Fischer Ambrosius hatte bereits gesagt, dass die Klippen auf allen Seekarten eingezeichnet waren, selbst auf den neuesten. Nein, sie würde eine Karte finden müssen, auf der die Insel explizit erwähnt oder eingezeichnet war, sonst nützte es nichts.
    Am nächsten Tag hatte Sigbrit Holland noch immer Kopfschmerzen. Die Arbeit ging ihr jetzt leichter von der Hand, nachdem sie sich an die gotischen Buchstaben in den Büchern und an die merkwürdigen Proportionen der alten Karten gewöhnt hatte. Aber es half nichts. Der Archivar lieh ihr stapelweise Material
aus, ohne dass sie auch nur die geringste Spur von etwas anderem als den Klippen fand, die bald fester Bestandteil aller Karten waren. Doch als sie sich dem Jahre 1614 näherte, tauchte ein Problem auf.
    Der Archivar kam zurück, nachdem er lange in den Regalen gesucht hatte.
    »Das ist mir völlig unerklärlich«, sagte er nervös und strich sich über seine wenigen, sorgfältig über die Glatze gekämmten Haare. »Aus der Zeit von 1614 bis 1618 scheint es keine Karten über die Meerenge zu geben. Aber von 1619 kann ich Ihnen einige neue Karten zeigen.« Wieder strichen seine Hände ängstlich über seine Haare.
    Sigbrit Holland sah sich die neuen Karten an, doch trotz der größeren Präzision, mit der die Küstenlinien der Nationen eingezeichnet waren, hatte sich die Meerenge nicht verändert: Noch immer gab es keine Spur von einer Insel südlich von Urö. Sie setzte ihre Arbeit fort, bis die Spezialarchive um fünf Uhr schlossen und sie sich dem Jahrhundertwechsel genähert hatte. Hätte man lange nach Beginn des 17. Jahrhunderts von der Insel gewusst, hätte man ihre Existenz nicht aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit radieren können. Reichte das Wissen um die Insel nicht in eine Zeit vor der Geschichte der Karten zurück, musste der Schlüssel zu dem Geheimnis in den fehlenden Jahren zu finden sein.
    Sigbrit Holland ging zum Schalter, um den letzten Stapel Karten zurückzubringen. Der Archivar saß auf einem Schemel hinter dem Schalter, die Protokolle auf dem Fußboden vor sich ausgebreitet. Er blätterte eine Seite in einem Protokoll um, öffnete ein anderes, kehrte zu dem ersten zurück, ging dann weiter zu einem dritten und dann zu einem vierten, während Tränen sich in seinen Augenwinkeln sammelten.
    »Das ist mir völlig unerklärlich. Das gibt es einfach nicht. Nein, solange ich Archivar in den Spezialarchiven des Land- und Katasteramtes bin, ist nichts dergleichen vorgekommen«, murmelte er und strich sich mit der Hand über den Kopf, sodass sein spärliches, sorgfältig über die Glatze gekämmtes Haar in alle Richtungen abstand. »Und mir ist auch nicht bekannt, dass einem
meiner Vorgänger etwas Ähnliches passiert ist. Nein, so etwas gibt es einfach nicht …«
    »Vielleicht herrschte damals Papiermangel oder so etwas«, sagte Sigbrit Holland tröstend.
    Der Archivar wurde blass.
    »Papiermangel! Was soll das denn heißen?«, zischte er verärgert. »Nein, so etwas gibt es einfach nicht. Das ist ganz undenkbar! «
    »Ist es vielleicht möglich, dass der eine oder andere die Karten willentlich entfernt hat?«, fragte Sigbrit Holland so beiläufig sie konnte.
    Der Archivar wurde blass.
    »Nein, so etwas ist nicht vorstellbar! «, rief er weinerlich. »Es ist einfach unvorstellbar, dass so etwas in den Spezialarchiven des Land- und Katasteramtes passiert. So etwas

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