Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus
Nacht werde ich noch abwarten“, sagte Herr Rocco, als er schließlich ins Haus trat und den Riegel vorschob. „Aber morgen früh breche ich auf. Unterwegs werde ich noch ein paar Nachbarn gewinnen. Der Diabolus und seine Bande sollen sich vorsehen! Wenn die Justiz des Königs nichts unternimmt, gibt es immer noch Männer genug, die für Recht und Gesetz ihre Klinge schlagen!“
Odo, den diese prahlerischen Reden und die ständigen Anspielungen auf unsere Tatenlosigkeit ärgerten, bemerkte gallig:
„Falls der Ingunde etwas zustößt, kommt Euch das teuer zu stehen, mein Bester. Wir wissen ja, daß Ihr sie nur aus Habgier entführen wollt. Mit Recht und Gesetz hat das nichts zu tun.“
„Ihr tadelt uns also, weil wir sie retten wollen!“ grollte Herr Rocco. „Damit diese gierigen schwarzen Vögel sie nicht auch noch verschlingen! Ihr habt Euch ja davongemacht und wochenlang nichts von Euch hören lassen.“
„Ihr scheint zu vergessen“, sagte ich. „daß Ihr uns gedrängt hattet abzureisen.“
„Ja, aber nur in der Hoffnung, Ihr würdet zurückkehren und das Raubnest ausnehmen! Außerdem war ich sicher, daß Ebrachar endlich Vernunft annehmen würde. Konnte ich ahnen, daß er nicht einmal glauben wollte, die Brüder hätten den Sigiwald umgebracht?“
Zum dritten oder vierten Mal hörten wir nun diese Geschichte, die uns allerdings sehr nachdenklich stimmte. Kaum hatten wir den Rücken gewandt, waren die Mönche auf Ebrachars Salhof in Schwärmen eingefallen. Unter dem Vorwand, um sein Leben besorgt zu sein, umstellten sie das Lager des Kranken und ließen niemand mehr an ihn heran, nicht einmal den Cleph und die Ingunde, seine einzigen noch lebenden Kinder. Die Leitung der Pflege des Kranken übernahm der kleinwüchsige Medicus, der Bruder Theophan genannt wurde. Als dessen Helfer drängte sich Zacharias frech in das Krankenzimmer. Und natürlich ging auch ‚dieser verfluchte Diabolus‘ aus und ein, dessen Tücke Herr Rocco nicht durchschaut hatte, als er ihn kurz vorher noch an sein Herz zog. So ging das fast drei Wochen lang. Rocco konnte sich nicht zum Aufbruch entschließen, obwohl ihn die Mönche immer heftiger drängten. Er hoffte, Ebrachar würde genesen, ihn rufen und – nachdem er die ganze Wahrheit von ihm erfahren hatte – die Bande vertreiben und die Verlobung verkünden. Außerdem rechnete er mit uns (so sagte er). Eines Nachts, als die Mönche die Wache am Krankenbett etwas vernachlässigt hatten, gelang es ihm schließlich, zu Ebrachar vorzudringen. Er fand ihn sehr schwach, doch bei klarem Bewußtsein. Als er ihn aber fragte, ob er nicht Angst habe, daß die Mörder seiner Söhne auch ihn ins Jenseits befördern könnten, brüllte der Kranke auf und nannte ihn einen verdammten Lügner. Und da kamen auch schon zwei Kuttenträger und schleppten ihn fort.
Am dritten Tag nach diesem Ereignis verlor Herr Rocco dann alle Hoffnung. Der Abt Agilhelmus erschien persönlich, man trug Ebrachar in die Kapelle, und alle hörten das Hochamt. Dann hieß es, der Kranke brauche noch bessere Pflege, die er jedoch nur im Kloster erhalten könne. In einer Sänfte brachte man ihn dorthin, und von nun an begann auf dem Salhof die unumschränkte Herrschaft der Mönche. Durch ein neues Testament wurden sie noch reicher bedacht. Sie bekamen jetzt alles, mit Ausnahme der sechs Mansen {20} des Cleph und des Wittums der Prisca. Tagsüber stöberten sie mit Schreibtafeln durch die Ställe und Speicher, um ihre neuen Besitztümer aufzulisten, nachts hockten sie schnatternd und grölend im alten Atrium und tranken die Weinfässer leer. Herr Rocco wurde nach seinen Worten fast mit Gewalt vertrieben. Vorher hatte Fabiolus ihm mitgeteilt, daß die Ingunde unwiderruflich entschlossen sei, den Schleier zu nehmen. Wegen der Brautgeschenke gab es noch endlosen Streit, fast eine Prügelei. Die Mönche hatten sie nämlich schon in ihre Verzeichnisse aufgenommen und wollten nichts mehr herausgeben. Mit Mühe rettete Herr Rocco die Hälfte.
„Und Ihr, Herr Odo, nennt mich habgierig!“ schloß er vorwurfsvoll seinen Bericht. „Ich habe lieber auf die andere Hälfte verzichtet, als auch nur einen Tag länger in der Gesellschaft dieser gottlosen Schurken zu verbringen. Und daß ich der Entführung zustimmte, geschah nur, weil mich der Cleph so dringend bat. Den bewachten sie nämlich Tag und Nacht, weil sie ihn nicht entbehren konnten, als tüchtigen Vilicus. Aber gestern gelang es ihm zu entkommen. Er hatte sein Pferd
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