Odo und Lupus 04 - Die Witwe
Zeugen zu spielen. Vor ein paar Tagen kam er reumütig zu mir und widerrief alles.“
„Was wollte er denn gesehen haben?“
„Nun, daß Irmo, der künftige Gemahl meiner Tochter, den Ihr ja gestern kennengelernt habt, diesem Bardo auf einem Erkundungsgang folgte. Bei der Gelegenheit soll er ihn dann … nun, das wißt Ihr ja. Die Aussage würde zwar auch nichts beweisen, doch wäre es etwas mehr als gar nichts. In Wirklichkeit war es aber ganz anders. Irmo folgte nicht irgend jemand, sondern ging selbst auf Erkundung aus. Denn er hatte dazu den Befehl.“
„Von wem?“
„Von mir!“
„Ah! Ihr selbst habt den Heerbann befehligt?“
„Es war eine langweilige und ermüdende Angelegenheit. Wir haben uns ja auch bald wieder zurückgezogen. Zunächst aber ging es vorwärts. Wir näherten uns einem sächsischen Dorf und mußten erkunden, ob wir auf Widerstand stoßen würden. Dazu sandte ich meinen besten Mann aus, den Irmo. Er stellte fest, daß es schon verlassen war.“
„Und Bardo?“
„Der war auf eigene Faust losgezogen. Wohl um herauszufinden, ob er es wagen konnte, mit seinen Leuten allein vorzugehen. Und ob es sich lohnte.“
„Stand er denn nicht unter Euerm Befehl?“
„Gewiß. Aber auch beim Heerbann tun diese Herren, was ihnen gefällt.“
„Immerhin folgte er dem Aufgebot.“
„Nur aus Beutegier. Zunächst hatte er sich geweigert. Ich drohte mit dem Königsbann, aber das nützt ja nichts. So rechnete ich gar nicht mit ihm und war daher sehr überrascht, als er zum Abmarsch erschien und sogar an die zwanzig Leute mitbrachte. Später wurden sie mir dann aber nur lästig. Sie gehorchten, wie ich schon sagte, kaum den Befehlen, und wenn irgendwo am Horizont ein feindlicher Heerhaufen auftauchte, schlugen sie sich in die Büsche. Dafür plünderten und brandschatzten sie wie eine Räuberbande.“
„Und wie kam Bardo nun um?“
„Vermutlich haben ihn sächsische Bauern erschlagen. Ihr wißt wohl, sie töten ohne Erbarmen jeden, den sie erwischen können. Wir fanden ihn kurz vor dem Dorf in einem Erdloch. Ohne Waffen und ausgeraubt. Und mit eingeschlagenem Schädel.“
„Wer fand ihn?“
„Meine Abteilung. Nachdem Irmo gemeldet hatte, daß das Dorf nicht mehr bewohnt war, gingen wir vor.“
„Wenn das Dorf leer war … Woher kamen die Bauern, von denen Ihr annehmt …“
„Es ist keine Seltenheit, daß die Bevölkerung ganzer Dörfer sich in die Wälder zurückzieht. Habt Ihr nie in Sachsen gekämpft?“
„Ich kämpfte in Sachsen. Fünf Jahre lang.“
„Dann müßtet Ihr ihre Taktik doch kennen.“ Der Graf zeigte jetzt deutlich, daß Odos Fragen ihm lästig wurden und daß er dieses Gespräch zu beenden wünschte. Er trank einen Schluck und fuhr in etwas gezwungen heiterem Tonfall fort:
„Nun, das sind alles keine schönen Erinnerungen! Ist es schon unvermeidlich, ins Feld zu ziehen, um seinem König zu dienen, so sollte man hinterher nicht noch endlos darüber reden. Wenn Ihr mich fragt, so war es nicht nötig, nur weil irgendwo dort ein Kirchlein abgebrannt war … aber lassen wir das! Was den Bardo betrifft, so haben wir ihn an Ort und Stelle begraben. Nach christlichem Brauch, wie es sich gehörte.“
„War auch Allard dabei? Sein Sohn?“ Odo war durchaus nicht bereit, das Gespräch an diesem Punkt abzubrechen.
„Allard?“ Herr Rothari seufzte gelangweilt. „Gewiß, doch es hat ihn nicht sehr berührt. Beim ersten Anblick des Leichnams soll er sogar einen Freudensprung gemacht haben. Das wurde mir jedenfalls berichtet. Sicher ist, daß er seinen Vater nicht liebte.“
„Warum nicht?“
„Weil der mit ihm so verfuhr wie mit allen, die unter ihm standen. Er demütigte und prügelte ihn.“
„Hat Allard den Irmo gleich beschuldigt?“
„Keineswegs. Allard gehörte ja nicht zum Trupp seines Vaters, sondern zu meinem Gefolge. Und Irmo war, obwohl noch nicht Anführer, einer meiner Stellvertreter. Feige und schlaff, wie Allard war, hätte er nie gewagt, sich im Land des Feindes gegen einen zu wenden, der über ihn Befehlsgewalt hatte. Das tat er erst, als wir wieder zu Hause waren und Garibald und sein Bruder Hug ihn aufhetzten.“
„Wie kam Allard in Eure Gefolgschaft?“
„Nun, eines Tages, als Bardo ihn wieder verprügelt hatte, erschien er bei mir und bat um Aufnahme. Mir fehlten gerade Leute, und so behielt ich ihn.“
„Er war ja auch mit Eurer Tochter verlobt“, warf ich ein.
„Ja, es gab auch noch diese unselige Verlobung“, sagte der
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