Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder
weihe ihn!‘ … schon streckte der Bischof die Hand aus, und sobald er darin einen Beutel Geldes spürte, weihte er flugs den Kandidaten, ohne daß der zum Nachweis der Eignung auch nur ein Vaterunser hersagen mußte. Wozu auch? Der ehrwürdige Vater kannte ja selber nicht einmal die Namen der Erzengel, und wenn er einen Heiligen oder Märtyrer lobte, erfand er dazu einen Namen, den kein Christenmensch je vernommen hat. Oder hast du schon einmal von einem heiligen Theudebald oder einem heiligen Chilping gehört?“
Das alles entsprach dem, was ich bereits vom Herrn Erzkaplan wußte. Die Nachrichten von der tollen Wirtschaft des Pappolus wie auch von seiner Unwissenheit waren bis zum Hofe gedrungen, was allerhand besagte. Denn einer mußte es schon besonders arg treiben und ein ausnehmend dreister Dummkopf sein, um unter denen aufzufallen, die nicht viel besser waren.
„Habt Ihr nicht einmal daran gedacht“, fragte ich, „daß ein so Unwürdiger aus seinem Amt entfernt werden müßte?“
„Wahrhaftig, Bruder, das habe ich“, erwiderte er mit einem düsteren Aufblick, „besonders nachdem die Sache mit der edlen Fausta und ihrem Sohn Ansegisel passiert war.“
„Wer ist diese Fausta?“
„Sie war die Gemahlin des Unibert, seines Bruders. Nie hat die Sonne eine Frau von solcher Herzensreinheit und Glaubensstärke beschienen … wenn man einmal von der heiligen Jungfrau und ein paar auserwählten Christusbräuten absieht. Ihre Eltern hatten sie zu der Ehe gezwungen, und sie verachtete den Unibert. Er dagegen hatte Respekt vor ihr, denn sie war streitbar und konnte sehr zornig werden. Es ging ihm wie dem alten griechischen Philosophen mit seiner Frau Xanthippe, nur war eben Unibert kein Philosoph. Wenn sie wortgewaltig zu Felde zog wider Trunksucht, Freßgier und Hurerei, ergriff er einen Knüppel und schlug sie. Oft bekam ihm das aber schlecht, denn es geschah, daß sie ihn mit Gottes Hilfe, Zähnen und Fingernägeln überwand und mit blutendem Schädel auf dem Schlachtfeld zurückließ. Sie konnte ihn damit nicht bessern, denn er war schon verloren. Aber sie hinderte ihn, sich vollends gehenzulassen, und erreichte, daß er sich meistens außerhalb des Hauses vergnügte. Schließlich ereilte ihn sein Geschick beim Jagen, als ihn ein Wisent auf die Hörner nahm. Dieser Wisent, Bruder, war vom Himmel gesandt, denn man sah ihn später, nach vollbrachter Tat, in Gestalt einer Wolke davoneilen.“
„Ein Wunder!“ rief ich mit gespieltem Erstaunen.
„Ja, ein Wunder, ganz ohne Zweifel. Aber die Leiden der edlen Fausta waren damit nicht zu Ende. Pappolus, der so lange das Hüttchen des alten Bischofs bewohnt hatte, zog nun ins Haus seines Bruders ein. Alles nahm er frech in Besitz, ließ ihr nicht einmal die Schlüssel. Und es fiel ihm nicht ein, auf ihre fromme Seele Rücksicht zu nehmen, wenn ihm nach Fressen, Saufen und Huren war. Er hatte die Fausta nie leiden können, ihrer Strenge und Gottesfurcht und auch ihrer scharfen Zunge wegen und weil sie nicht müde geworden war, ihn an seine Pflichten zu erinnern. Solange sein Bruder lebte, mußte er sie aber ertragen. Doch nun wurde er ihr Muntwalt {10} , und das ließ er sie spüren. Sobald sie ihm Vorwürfe machte und zu schimpfen begann, befahl er seinem Türhüter – du hast ja den friesischen Hünen gesehen –, sie auf ihr Zimmer zu schleppen und einzuschließen. Tage-, manchmal wochenlang hat sie dort fasten müssen, ohne gesündigt zu haben! Währenddessen tat er sich gütlich, ließ sich von seinem Koch, dem burgundischen Spitzbuben, den er mitgebracht hatte, die herrlichsten Leckerbissen bereiten. Und sie hörte ihn lärmen mit seinen Kumpanen und schauderte, wenn seine Kebse lauthals ihre unanständigen Lieder plärrte. Du hast ja auch sie erblickt, die römische Hure, schön ist sie von Angesicht und Gestalt … aber sagt nicht schon Salomo, daß eine schöne Frau ohne Zucht nur eine Sau mit einem goldenen Halsband ist? Babel, mein lieber Bruder, Babel!“
„Ihr spracht davon, daß die edle Fausta einen Sohn hatte …“
„Ansegisel! Ein hübsches, frommes, gelehriges Bürschlein, elf Jahre alt! Schlank und blondgelockt wie seine Mutter. Es drückt mir das Herz ab, wenn ich mich an ihn erinnere! Die edle Fausta wurde dem Pappolus schließlich so lästig, daß er beschloß, sie in ein Kloster zu stecken. Er wählte das der drei Marien, siebzig Meilen von hier. Sie weigerte sich, sie flehte zu Gott … hier auf den Stufen des Altars lag
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