Odyssey 01 - In die Dunkelheit
den Schacht und entsicherte die Waffe.
Schließlich fand Milla, die ihm mit schlecht verborgenem Entsetzen zugesehen hatte, ihre Stimme wieder. »Und das macht Ihnen tatsächlich Spaß?«
Stephanos, der Kritik heraushörte, drehte sich abrupt zu ihr um. »Spaß? Vermutlich schon. Die Bedienung eines Gewehrs verlangt Konzentration. In bestimmter Hinsicht ähnelt diese Konzentration sogar der Meditation.«
»Aber … Sie sind also gern Soldat?«
Er kniff die Augen zusammen. »Ja, ich denke schon. Ich habe dadurch viel Gutes in meinem Leben tun und vielen Menschen das Leben retten können.«
Nachdem Milla das verdaut hatte, unternahm sie einen weiteren Vorstoß. »Dann betrachten Sie sich also als Friedenskämpfer?«
Stephanos’ Miene verhärtete sich. Er hatte diese Unterstellung zwar schon oft gehört, aber die Leute, die so etwas sagten, noch nie verstanden. Er holte tief Luft und zwang sich zu aller Nachsicht, die er aufbringen konnte. »Kein Soldat, der den Namen verdient, würde das je von sich behaupten, Milla. Frieden ist die eine Sache, für die wir nicht kämpfen.«
Milla wirkte schockiert. »Für was dann?«
»Für Freiheit. Das ist der Kern dessen, was uns antreibt. Frieden um des lieben Friedens willen ist ein Konzept, das schlicht nicht funktioniert. Ich persönlich kenne nur zwei Arten von Frieden: den Frieden des Todes und den Frieden der Sklaverei.« Er schnaubte belustigt. »Und was den Frieden des Todes betrifft, bin ich mir da gar nicht mal so sicher.«
Unwillkürlich starrte Milla ihn bei diesen Worten verblüfft an. Ihr war nicht klar, ob sie das, was er sagte, abstoßend fand oder nachvollziehen konnte. Vielleicht beides. Seit ihrer Begegnung mit den Drasins hatte sie feststellen müssen, dass ihr viele ihrer alten Grundsätze und Anschauungen weggebrochen waren. Und sie hatte keine Ahnung, wie sie die Scherben wieder kitten sollte.
»Da der Kampf für den Frieden offensichtlich naiv ist, kämpfen wir auch nicht dafür«, fuhr Stephanos nüchtern fort. »Setzt man sich den Frieden als einziges Ziel, verliert man den Blick für die Realitäten. Wir kämpfen für unsere Freiheit, wir kämpfen, um uns und andere zu verteidigen, wir kämpfen für den Sieg.« Stephanos schwieg kurz, um seine Worte nachwirken zu lassen. »Ich möchte Sie etwas fragen, Milla. Was halten Sie für die wichtigste Aufgabe eines Soldaten?«
Ihre Antwort kam genauso schnell und lag genauso daneben, wie Stephanos erwartet hatte. »Zu kämpfen.«
»Falsch.« Stephanos schüttelte den Kopf. Sein Gesicht war zu einer eisernen Maske erstarrt.
Milla sah bestürzt zu ihm hinüber. Wozu sind Soldaten denn sonst da?
Gelassen erwiderte er ihren Blick und dachte über eine Antwort nach, allerdings nur kurz. Oft genug hatte er selbst über dieses Thema sinniert und sich gefragt, ob sein einziger Daseinszweck das Töten war oder ob es dabei noch um etwas Größeres ging. Schließlich war er darauf gekommen, was dieses »Größere« war. Die Menschen, die ihn als Mörder betrachteten, hatten niemals selbst eine Uniform getragen, waren niemals eine solche Verpflichtung eingegangen wie er als Berufssoldat.
»Die erste Pflicht eines Soldaten, sein Daseinszweck, ist nicht der Kampf. Der Krieg ist für jedes zivilisierte Volk nur das letzte Mittel. Es ist nicht einmal Aufgabe des Soldaten, Frieden und Ordnung aufrechtzuerhalten, das ist die Aufgabe eines Polizeibeamten .« Das klang wie einstudiert, denn Commander Stephen Michaels, Angehöriger der Streitkräfte der Nordamerikanischen Föderation, griff dabei auf die vielen nächtelangen Diskussionen und Auseinandersetzungen zurück, die ihn zu dieser Erkenntnis gebracht hatten. »Die erste Pflicht eines Soldaten besteht schlicht darin, sich schützend zwischen sein Land und jeden zu stellen, der diesem Land möglicherweise schaden will.«
Bei dieser simplen Aussage kniff Milla skeptisch die Augen zusammen.
»Dort baut sich der Soldat mit verschränkten Armen auf und teilt der Welt dadurch mit: An mir kommt ihr nicht vorbei.« Stephanos schwieg einen Moment und setzte leiser nach: »Zum Kampf kommt es, wenn die Welt beschließt, die Entschlossenheit des Soldaten auf die Probe zu stellen. Ein Soldat sucht die bewaffnete Auseinandersetzung nicht, Milla, findet sich aber oft, ob er will oder nicht, in eine verwickelt.«
Stephanos wusste nicht, ob Milla ihm überhaupt zugehört oder seine Worte verstanden hatte, aber das war ihm im Moment auch nicht besonders wichtig. Milla und
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