Öffne deine Seele (German Edition)
versuchte, Marius zu imitieren, erkannte ich nur, weil ich mich an die Worte erinnerte. «Wir treffen eine Entscheidung, und wir bereuen sie ein Leben lang. Und der eigene Ehemann steht daneben und kann es nicht begreifen.»
«Das hat er überhaupt nicht gesagt!»
«Aber gemeint!» Er fing an, im Zimmer auf und ab zu gehen. «Hannah, war das wirklich nötig? Ich habe ehrlich geglaubt, ich wär damit durch, aber dass du mit einem fremden Menschen über ihn …» Er schüttelte den Kopf. «Über uns !»
Mir klappte der Unterkiefer runter.
Und mit einem Mal packte mich die Wut.
Heuchler!
Ein Freund ist ein Mensch, dem wir es erlauben, bis auf den Grund unserer Seele zu blicken.
Und der eigene Ehemann? Die eigene Ehefrau?
Meine Stimme war ein gefährliches Flüstern. «Lass – mich – in – Ruhe!»
Er blieb stehen, die Augen zusammengekniffen.
Ich kannte diesen Ausdruck. Er versuchte mich einzuschätzen.
Ich habe kein Wort mit Marius gesprochen, dachte ich. Du hast mit ihm gesprochen!
Ich würde den Teufel tun, jetzt irgendwas aufzuklären, um ihn aus der Situation zu befreien.
«Schläfst du auf dem Sofa?», fragte ich kalt. «Oder ich?»
***
Jörg Albrecht war sich darüber im Klaren, dass er eine entscheidende Schwäche hatte.
Er vergaß zuweilen, dass seine Mitarbeiter ein Privatleben besaßen, und es waren deutliche, unmissverständliche Zeichen notwendig, um ihn an diesen Umstand zu erinnern.
Mit eingezogenen Schultern kam Euler auf den Eingang des gerichtsmedizinischen Instituts zu. Albrecht selbst war nur wenige Minuten schneller gewesen.
Doch Albrecht war an der Langenhorner Chaussee umstandslos in den Wagen gesprungen.
Wobei sich auch der Gerichtsmediziner nicht unnötig aufgehalten haben konnte.
Der Hauptkommissar betrachtete ihn von oben bis unten, bis Euler, der ihn und die Tür inzwischen erreicht hatte, ebenfalls an sich herabblickte.
Er trug eine weiße Schürze mit einem Schriftzug in Großbuchstaben: GRILLMEISTER .
«Tausche ich noch aus», murmelte der Gerichtsmediziner, bevor er sich in seiner Hosentasche zu schaffen machte und einen großen Schlüsselbund zum Vorschein brachte.
«Ich weiß das wirklich zu schätzen, Martin, dass Sie sofort gekommen sind», sagte Albrecht. «Ich hätte das nicht von Ihnen verlangt, wenn ich nicht …»
«Oh.» Euler stieß die Tür auf. «Na ja, meine Schwiegereltern sind zu Besuch. Sie hätten einen ungünstigeren Moment erwischen können. Und wenn ich tatsächlich etwas übersehen haben sollte, versteht es sich von selbst, dass ich …»
Albrecht hob die Hand. «Wenn jemand etwas übersehen hat, dann bin ich es. Den entscheidenden Zusammenhang.»
«Sie machen es spannend.» Euler holte eine Chipkarte aus der Tasche, zog sie durch ein Gerät gleich hinter dem Eingang und drückte anschließend mehrere Knöpfe in einem Tastenfeld. «Für den Sicherheitsdienst», erklärte er. «Hier im Gebäude gibt es vermutlich mehr illegale Substanzen auf einem Haufen als irgendwo sonst in der Stadt. Wir müssen aufpassen.»
Albrecht nickte und sah zur Decke, wo mehrere matte Neonleuchten ansprangen. Keineswegs die gesamte Festbeleuchtung – nur eine Auswahl.
Weit außerhalb der Dienstzeiten. Abgesehen von ihnen war kein Mensch im Gebäude.
Zumindest kein lebender Mensch.
«Ich habe ihn heute Mittag gleich wieder runterbringen lassen», murmelte Euler, der bereits einen Fahrstuhl ansteuerte. «Wir sind zwar noch weit davon entfernt, die Leiche freizugeben, doch aktuelle Untersuchungen standen nicht mehr an.»
Die beiden Männer stiegen in den Lift.
Eine geräumige Kabine – schließlich musste sie oft genug Personen aufnehmen, die nicht im Stehen befördert wurden.
Im Keller erwartete sie ein gekachelter Flur. Euler wählte eine stahlverkleidete Tür ganz am Ende und wiederholte dort sein Spiel mit der Karte und dem Tastenfeld.
Albrecht war nicht zum ersten Mal hier. Er hatte sich auf den Geruch gefasst gemacht.
Die Welle traf ihn dennoch, und mit dem alles durchdringenden Geruch nach Formaldehyd und anderen Chemikalien – die Kälte.
Der Raum war vollständig aus Metall. An den Wänden befanden sich die Fächer mit den einzelnen Objekten – keineswegs in allen Fällen vollständige Leichname – und in der Mitte eine Arbeitsfläche aus gebürstetem Stahl.
Euler sah sich um, langte mit geübtem Griff nach Einmalhandschuhen und zwei Kitteln und reichte einen davon an den Hauptkommissar weiter.
«Spricht etwas dagegen, dass wir
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