Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Öffne deine Seele (German Edition)

Öffne deine Seele (German Edition)

Titel: Öffne deine Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
Vom Netzwerk:
doch noch einen Schritt näher zu treten.
    Der Gerichtsmediziner setzte eben seine Unterschrift unter das Formblatt. Aus der Nähe sah er noch jünger aus als am Anfang.
    «Kein Zweifel an der Todesursache. Keine Hinweise auf andere Beteiligte.» Er schüttelte den Kopf. «Schlimm. Sie hat eine einfache Schlinge geknüpft, also faktisch doppeltourig. Die simpelste Lösung. Beim Fall muss sie allerdings verrutscht sein.» Er legte das Klemmbrett mit seinem Bericht beiseite. Seine Hände steckten in Einmalhandschuhen. «Zwischenkammblutungen», erklärte er und deutete auf den Hals, wo sich die beiden Züge des Seils eingeschnitten hatten. Zwischen ihnen war eine längliche Schwellung zu erkennen. «Der Knoten saß hier. Von dort aus lief das Seil aufwärts.» Vorsichtig strich er die Haare des Mädchens beiseite und fuhr mit dem Finger eine aufgeschürfte Linie nach, die sich vom Hals aus seitlich bis hinter das Ohr zog.
    «Nein», sagte er und räusperte sich. «Es kann nicht schnell gegangen sein. Sie wiegt keine fünfundvierzig Kilo.»
    Mir blieb nur ein Nicken.
    «Wenn Sie keine Fragen mehr haben …»
    Ich schüttelte den Kopf. «Nicht an Sie. Doch ich muss mit der Mutter reden.»
    Als ich wieder ins Freie trat, musste ich zweimal tief Luft holen.
    Tietgen war mitgekommen und wies quer über den Hof.
    «Sie haben Kaffee da drin», sagte er und schlug diesen bemüht lockeren Ton an, um den wir alle in solchen Momenten kämpfen. «Nicht mal ganz übel.»
    Ich nickte, wieder, ohne ein Wort zu sagen.
    «Die anderen Kinder sind in den Unterkünften», sagte Tietgen, während er mir die Tür aufhielt. «Mit der Psychotante. ’Tschuldigung.»
    «Kein Problem», murmelte ich.
    Wir kamen in einen holzverkleideten Flur, an dessen Ende eine Tür halb offen stand; gedämpfte Stimmen waren zu hören.
    Es roch nach Kaffee.
    Ein großer Küchenraum. Natürlich, er musste so groß sein, wenn die Feriengäste auf dem Hof verpflegt wurden.
    Vor dem Fenster standen ein einfacher Holztisch und mehrere Stühle.
    Drei Personen: die Ferienwirte – und die Mutter. Ich sah sofort, dass es Jasmins Mutter war. Die Frau war maximal eins sechzig und so schmal, dass es aussah, als stände sie bei jeder ihrer seltsam hektischen Bewegungen kurz davor, in der Mitte durchzubrechen.
    «Frau Vedder?», fragte ich leise. «Hannah Friedrichs von der Kriminalpolizei.»
    «Was?» Sie fuhr herum. Kaffee schwappte über die Untertasse. «Ich habe doch schon … Ich habe schon alles …»
    Die Hofeigentümerin legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm und sagte leise etwas, das ich nicht verstehen konnte.
    «Ich müsste trotzdem noch einmal mit Ihnen reden», sagte ich. Ein ganz leichtes Lächeln. Natürlich gibt es Schulungen für solche Situationen, doch wenn es einmal so weit ist, helfen die kein Stück. «Es geht ganz schnell, versprochen.»
    Sie machte eine fahrige Geste mit der Hand. Der Mann, wahrscheinlich der Eigentümer des Hofes, stand auf und bot mir seinen Platz an.
    Ich zog meinen Notizblock aus der Tasche und ließ mich nieder.
    «Ihre Personalien und die Ihrer Tochter haben Sie ja schon meinen Kollegen gegeben», sagte ich freundlich. «Das müssen wir nicht noch einmal machen. Was ich von Ihnen wissen möchte, ist, ob Jasmin einmal darüber gesprochen hat, das … zu tun, was sie nun gemacht hat.»
    «Das habe ich doch alles schon …» Wieder riss die Frau die Hand in die Höhe. Wenn sie tatsächlich ein Sedativum bekommen hatte, war es nicht hoch genug dosiert worden.
    Doch im nächsten Moment fielen die Finger kraftlos nach unten.
    «Sie spricht davon, seitdem ihr Vater nicht mehr lebt.» Die Frau sah mich nicht an. «Ich habe drei Kin…» Ein Geräusch, von dem kein Mensch sich wünscht, dass er es jemals zu hören bekommt. «Ich hatte drei Kinder. Jasmin war die Jüngste. Sie haben alle getrauert, auch die Jungs. Natürlich trauern Kinder um ihren Vater. Aber Jasmin war sein Liebling, und sie …»
    Die Ferienwirtin reichte ihr ein Taschentuch. Eine zur Hälfte leere Packung lag auf dem Tisch.
    «Sie wollte einfach nicht wahrhaben, dass er tot ist. Ich meine, natürlich wusste sie es. Wir haben von ihm Abschied genommen. Es gab die Beerdigung. Aber als ich seine Kleidung an die Tafel geben wollte, hat sie angefangen zu schreien. Solche Dinge. In der Schule … Es war ein Albtraum, Frau …»
    «Friedrichs.»
    «Frau Friedrichs, ich habe getan, was ich konnte. Ich war doch selbst am Ende! Wir hatten psychologische Hilfe,

Weitere Kostenlose Bücher