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Öl auf Wasser - Roman

Öl auf Wasser - Roman

Titel: Öl auf Wasser - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Das Wunderhorn <Heidelberg>
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schrieb etwas auf ein Blatt Papier. Er sah nicht hoch, als der Soldat mich in den vergehenden Tag hinaus führte. Jetzt beobachtete ich, wie der Major vor uns auf und ab ging, seine langen Beine schritten voll unter dem eigenartig verkürzten Leib aus, als mäßen sie den Boden, und schließlich blieb er direkt vor mir stehen und schaute mir ins Gesicht.
    »Weißt du eigentlich, in welcher Gefahr ihr euch befindet, zwei Journalisten, ein alter Fischer und sein Sohn, wenn ihr euch in diesen Gewässern rumtreibt? Wie alt ist der Junge?«
    Der Junge klammerte sich wieder an den Arm seines Vaters, als er bemerkte, dass der Major ihn anstarrte und jetzt auf ihn zuging, und barg das Gesicht an der Schulter des alten Mannes. Der Alte blickte zum Major auf, ein steifes Grinsen auf dem Gesicht.
    »’tschuldigung, Sir, is nich sein Schuld. Is er noch klein.«
    Als er das gesagt hatte, senkte der Alte den Kopf, bereit hinzunehmen, was immer für seinen Sohn an Prügeln bestimmt war. Der Soldat sah einen Augenblick lang so aus, als wollte er hinunterlangen und den Jungen aus den Armen seines Vaters zerren und ihn zwingen, die Frage zu beantworten, aber dann wandte er sich von den beiden ab und trat auf seine Leute zu.
    »Steckt sie zu den anderen!«
    Die Soldaten griffen den Alten und seinen Sohn und schleppten sie zu den sieben knienden Männern hinüber. Mir fiel auf, wie geschwollen die Augen der sieben Männer waren, wahrscheinlich vom Schlafentzug. Ich trat vor, um mich beim Major zu beschweren, aber eine Hand, die nach meinem Handgelenk griff, zog mich zurück. Ich schüttelte die Hand ab, weil ich glaubte, sie gehörte einem Soldaten, doch das stimmte nicht. Es war der Doktor.
    »Warte. Das ist jetzt nicht der rechte Augenblick, mit ihm zu reden.«
    Der Doktor sah müde aus. Wir sahen mit an, wie der Major die Männer mit lauter, aber überraschend leidenschaftsloser Stimme beschimpfte.
    »Ihr nennt euch Freiheitskämpfer? Für mich seid ihr nichts als Ganoven, und ich werde nicht aufhören euch zu jagen und wie räudige Hunde erschießen. Das Land hat Leute wie euch satt. Sergeant, hol die Gießkanne!«
    Der Sergeant stand zusammen mit fünf anderen Soldaten im Schatten eines Baums in der Nähe der knienden Männer, und auf den Befehl des Majors hin hob er jetzt eine eiserne Gießkanne auf und trug sie zum Major hinüber. Ich spürte, wie sich Schweigen über die Männer legte. Die Soldaten schienen zu vergessen, die Gewehre drohend auf die knienden Männer zu richten. Der Doktor verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen, und ich hörte, wie er scharf einatmete, als der Major die Gießkanne hob und begann, den Mann ganz rechts mit Wasser zu übergießen. Dann aber drang ein unmissverständlich ätzender Geruch zu mir herüber.
    »Übergießt er sie mit Benzin?«
    Der Doktor nickte. Ich riss mich von ihm los und nach ein paar Schritten stand ich neben dem Major, und als er sich umdrehte und mich wütend anstarrte, verlor ich den Mut und einen Augenblick lang konnte ich nichts anderes tun, als den Kopf zu schütteln und auf den Jungen und den alten Mann zu zeigen.
    »Major. Es tut uns aufrichtig leid, wenn wir das Gesetz verletzt haben, indem wir in diese Gewässer eingedrungen sind. Doch die Entführer hatten uns eingeladen … und dieser Mann und der Junge da, sie arbeiten für uns. Sie sind unschuldig. Lassen Sie sie gehen. Wir wollen doch nur die entführte Frau finden und die Rebellen interviewen, das ist alles.«
    Der Major drehte sich um und starrte mich eine Zeitlang an, bevor er sprach und mir bei jedem Wort mit dem Finger in die Brust stach.
    »Nun pass mal auf, hier entscheide ich, wer ein Verbrecher ist und wer nicht. Ich sage, welches Ei gut ist und welches verdorben. Wag ja nicht, mir vorzuschreiben, wie ich meinen Job zu machen habe. Denk dran, dass du genauso gut dort drüben bei ihnen knien könntest. Du bist noch nicht frei von jedem Verdacht. Vergiss das nicht.«
    Er kehrte sich ab, streckte die Hand aus und fing wieder an, Benzin über die gebeugten Köpfe zu träufeln. Erschüttert ging ich zum Doktor zurück. Ich wandte mich ab, damit ich den Schock und den Schmerz und die Enttäuschung auf den gesenkten Gesichtern nicht sehen musste, wenn die kostbare, beizende Flüssigkeit ihre Haut berührte. Auch der Doktor schaute weg, zum Wasser hinüber, verlor sich in jeder Einzelheit der zerstörten, verfallenden Landschaft. Ich konnte aber den Blick nicht lange abwenden. Ich war Journalist:

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