Öl auf Wasser - Roman
ihn hierher, und hier ist er nun seit drei Jahren. Eines Tages wird er das Streichholz anzünden. Sogar seine Männer wissen das. Ist nur eine Frage der Zeit.«
»Was wurde aus seiner Tochter?«
»Man sagt, dass sie an eine Universität im Norden wechselte, Zaria oder Maiduguri, und ihr Studium abschloss.«
Michael, der Junge, war der letzte in der Reihe. Der Major ging mit ihm ebenso gewissenhaft um wie mit den anderen und achtete darauf, dass das Benzin auch alle unbedeckten Stellen im Gesicht des Jungen netzte. Ich war Zeuge, wie der Junge verzweifelt das Benzin ausspie, das ihm das Gesicht hinunter lief, sich mit dem Ärmel seines schlichten Hemdes Augen und Nasenlöcher abwischte. Doch das Reiben mit dem Stoff scheuerte die Haut auf, entzündete sie, und das Benzin ätzte noch mehr. Ich schwor mir, dass ich, wenn ich hier raus käme, darüber schreiben würde, in allen Einzelheiten, über jeden Benzintropfen, jeden Schmerzensschrei. Jetzt begriff ich, was Zaq gemeint hatte, als er vor so langer Zeit in seinem Vortrag sagte, dass einem diese Arbeit mitunter das Herz brach. Er sagte, dass einem der Journalismus ganz unmittelbar zeigte, wie Nationen entstehen, wie große Menschen ihre Größe erlangen. Und dann hatte er das Sprichwort zitiert, wie die Elefanten zu ihrer Größe kommen: Sie fressen einfach auf, was ihnen im Weg steht, Bäume und Ameisen und Pflanzen und Schmutz, alles. Ich senkte den Kopf, um meine Wut niederzuringen. Ich kam mir impotent vor, hilflos, wie ein Mann, der im Traum mit gefesselten Beinen rennen muss. Endlich schleuderte der Major die leere Gießkanne zur Seite. Er kam zu uns herüber, das Gesicht von einer unbestimmten Wut verzerrt. Sein Atem ging schwer.
»Journalist, du willst ein Interview mit den Rebellen, nun, da sind sie. Dafür wird Zeit sein.«
Ich schaute zu den knienden Männern. Einer, der älteste, mit grauem Haar, der in der Mitte, sah aus, als fiele es ihm schwer, seinen Blick zu fokussieren, er wischte sich das Gesicht und schwankte hin und her, berauscht von den Dämpfen; schließlich beugte er sich vor und erbrach sich in das schlammig braune Gras.
»Schafft sie fort und denkt dran, sie morgen früh zur Morgendusche wieder hierher zu bringen.«
»Wann kann ich mit ihnen reden?«
Ich folgte dem Major in seinen Unterstand, die Kommandostelle. Er drehte sich um und starrte mich lange an, überlegte, dann wich die Wut aus seinem Gesicht, wurde von einem bösartigen Grinsen abgelöst. Er legte mir eine Hand auf die Schulter.
»Du … wie kann ich sicher sein, dass du auch der bist, der zu sein du vorgibst? Hast du einen Ausweis? Nichts? Kein Aufnahmegerät, keinen Stift, kein Notebook? Was für Reporter seid ihr eigentlich?«
»Unsere Sachen sind weggekommen, als Ihre Leute unser Boot versenkt haben.«
»Hmm. Bisher habe ich euch wie Ehrenmänner behandelt. Ich bin ein Ehrenmann, ein Offizier und Ehrenmann. Frag meine Männer. Sie lieben mich, weil ich ein gerechter Mensch bin. Deshalb will ich dir, und nur dir, eine Frage stellen: Woher soll ich wissen, dass du der bist, der zu sein du vorgibst? Das ist alles, was ich wissen will. Beantworte meine Frage und du bist frei.«
Er roch nach Schweiß und den Sümpfen. Und nach Benzin. Das Benzin hatte auf seinen Hosenbeinen und Stiefeln Flecken hinterlassen.
»Wir suchen nach der Engländerin, nach der Geschichte. Das ist alles.«
»Ich suche ebenfalls nach der Frau, alle suchen sie. Du glaubst, dass du sie finden kannst, wenn es uns nicht gelingt? Ich trau dir immer noch nicht. Ich kann dir nicht trauen; begreifst du mein Dilemma? Du hast bis morgen Zeit, dir etwas zu überlegen. Rede mit dem anderen. Morgen will ich Beweise. Antworten. Andernfalls muss ich dich mit den Rebellen zusammen wegschließen und dich genauso behandeln wie sie.«
»Was wird aus dem Alten und seinem Kind? Sie sind unschuldig, haben nichts mit alldem zu tun …«
»Raus. Ich habe zu arbeiten.«
»Major, ich muss darauf bestehen.«
»Darauf bestehen? Hast du ›darauf bestehen‹ gesagt? Weißt du überhaupt, was sich hier draußen abspielt? Hier herrscht Krieg! Menschen werden erschossen. In Port Harcourt werden die Ölgesellschaften bombardiert, Polizeiwachen angegriffen, der Ölpreis schießt durch die Decke. Du musst darauf bestehen! Ich könnte dich auf der Stelle erschießen und dich anschließend in den Sumpf werfen, und das wär’s dann. Jetzt raus mit dir.«
6.
»Wie können wir dem Alten und seinem Sohn helfen, Zaq?«
»Gar
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