Öl-Connection
Philipp in ›Don Carlos‹.«
»Ich habe es vergessen, Käpt'n. Ich habe alles vergessen.«
»Sieh mich an.«
McCracker blickte weiter ins Leere.
»Wer bist du?« fragte Heßbach.
»McCracker, der Hurensohn.«
»Hast du kein Vertrauen zu mir, James?«
»Ich habe Freiwache. Ich möchte mich hinlegen.«
»Was hat dich so verändert, einen anderen Menschen aus dir gemacht?«
»Ich weiß es nicht, Sir.«
»Was hat dich aus der Bahn geworfen?«
McCracker atmete tief auf. Und plötzlich sagte er etwas, das Heßbach nie vermutet hätte: » Cherchez la femme …«
»Also eine Frau!« Heßbach dachte an van Gelderns Lebensbeichte und schüttelte den Kopf. »Warum tun Frauen so etwas?«
»Das frage ich nicht mehr, aber ich lege jedes Weib, das ich erwischen kann, aufs Kreuz, ob sie will oder nicht. Ich hasse sie! Ehrlich sind nur die Huren. Sie nehmen fünfzig Dollar, schauen auf die Uhr und sagen: ›'ne halbe Stunde, Baby, dann zieh ich die Bremse‹.« Er senkte den Kopf und blickte jetzt Heßbach an. »Ist noch etwas, Käpt'n?«
»Ja. Wer bist du wirklich?«
»Ich habe alles gesagt, was ich weiß.« McCracker machte einen weiten Schritt zur Tür, riß sie auf und verschwand in seiner Kabine. Heßbach hörte, wie er von innen abschloß. Er wartete noch eine Minute, dann ging er hinauf auf die Brücke. Er nahm sich vor, nach Löschung des Öls in Rotterdam McCrackers Weg aufzurollen. Irgendwo mußte es eine Spur geben. Er hatte in Opernhäusern gesungen, er besaß eine der schönsten Baßstimmen, die Heßbach je gehört hatte … und eine solche Stimme vergißt man nicht. Wenn sie plötzlich nicht mehr singt, wird das Rätsel bleiben, an das man sich erinnern wird. Ein Riese mit einem Jahrhundertbaß, der von heute auf morgen verstummt – in der Welt der Oper leben die Legenden fort.
Jules Dumarche stand am Radar und starrte auf das flimmernde Bild. Es zeigte nur wenige Punkte, die sich außerhalb des Kurses der Maringo bewegten. Trotzdem war klar zu erkennen, daß man sich dichter befahrenen Gewässern näherte.
»Nach den derzeitigen Berechnungen erreichen wir die Kanaren bei dieser Geschwindigkeit morgen Mittag«, berichtete Dumarche.
»Wir haben optimales Wetter. Der Atlantik spielt mit, er ist auf unserer Seite.« Heßbach blickte auf den Radarschirm. »Zur Sicherheit sollten wir morgen früh noch einmal einen Rundspruch loslassen und unsere Position durchgeben. Warnung an alle Schiffe, nicht in unsere Nähe zu kommen.«
»Was meldet Santa Cruz?«
»Der Mann dort vergißt vor lauter Aufregung sein Englisch, und auf spanisch versteh ich nur Olé ! und Sangria, obwohl ich das Getränk nicht mag.« Heßbach lachte kurz auf. »Aber mit dem Ministerium in Madrid hatte ich ein vernünftiges Gespräch. Dort wird ein Don Dequillia alle nötigen Maßnahmen koordinieren. Ich habe ihn beruhigen können. Wir werden außerhalb der normalen Tankerroute fahren. Spanien kann beruhigt schlafen.«
»Und Teneriffa?«
»Das sind eineinhalb Tage Zittern. Aber das schaffen wir doch auch, nicht wahr, Jules?«
»Wir vertrauen alle darauf.« Er stockte und fügte dann hinzu: »Wenn die Maschinen durchhalten.«
»Der Chief hat mir davon berichtet. Er traut den Schraubenwellen nicht. Sie hätten kleine Risse, die man bei der Übergabe des Schiffes überpoliert hatte.«
»Wir sind mit diesem Rostkahn angeschissen worden … Verzeihung, Sir.«
»Verschlucken Sie nichts, Dumarche. Sie haben ja recht. Was glauben Sie, was ich der Presse erzählen werde, wenn wir in Rotterdam angekommen sind. Mein Vorgänger Fransakiris hat das Maul gehalten, weil er weiter für Bouto fahren will. Für mich ist diese Fahrt die erste und die letzte für die ISC. Und für Sie?«
»Für mich auch, Sir. Ich habe sie nur angenommen, weil man woanders keinen Ersten brauchte.« Dumarche lehnte sich gegen das Kommandopult. »Was wollen Sie der Öffentlichkeit erzählen?«
»Die Wahrheit über einige Billigflaggen-Reeder.«
»Das haben schon andere versucht. Sie wurden lächerlich gemacht oder bekamen eine Klage an den Hals, nach der sie plötzlich schwiegen und nie wieder etwas von sich hören ließen. Haben Sie keine Angst, Sir?«
»Jules, ich kenne die Macht der Reeder. Ich habe sie selbst erlebt. Aber wenn mich keiner mehr fahren läßt, gibt es auch an Land Verwendung für mich.«
»Sie ohne Schiff, Sir? Das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Es könnte schwer werden, das gebe ich zu. Aber ich bin dann wenigstens nicht mehr vom Wohlwollen
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