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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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Kompanie B, 47. kalifornisches Regiment, amerikanisches Expeditionskorps nach Russland. Ich möchte, dass das Kriegsministerium eine Anfrage kabelt und sich auch die Antwort per Telegramm schicken lässt; du telegrafierst dem Kongressabgeordneten fünfundzwanzig Dollar für seine Unkosten, und wenn was übrig bleibt, kann er das Wechselgeld behalten. Ich schick dir noch heut meinen Scheck per Post. Wenn du willst, kannst du sagen, dass jemand aus der Familie krank ist, es ist eine Frage auf Leben und Tod, dass wir sofort Bescheid kriegen. Ich bin dir sehr verbunden, Jake; und wenn du Benzin für dein Auto brauchst, schau einfach vorbei, sobald wir diese neue Raffinerie in Betrieb genommen haben. Wie hat dir der letzte Dividendenscheck gefallen? Ha, ha, ha! Also, bis bald.»
    Zwei Tage lang saß Ruth wie auf glühenden Kohlen und hielt jedes Mal den Atem an, wenn das Telefon klingelte.
    Endlich war es die Stimme von Jake Coffey, Bunny war ans Telefon gegangen, und nach wenigen Sekunden wandte er sich um und sagte: «Telegramm vom Kongressabgeordneten Leathers, das Kriegsministerium meldet, Paul ist in Irkutsk und wohlauf.»
    Ruth stieß einen Schrei aus – sie stand am Esstisch, wollte sich festhalten, griff ins Leere und schwankte, Bunny musste den Hörer fallen lassen und sie auffangen. Also wirklich, wie weiß und kalt und besinnungslos sie war! Sie betteten sie auf den Boden und spritzten ihr Wasser ins Gesicht.
    Als sie wieder zu sich kam, weinte und weinte sie wie ein kleines Kind. Da wurde Bunny bewusst, dass der Telefonhörer immer noch herabbaumelte; er ging hin, entschuldigte sich bei Mr Coffey und dankte ihm, mehr brachte er nicht heraus, sonst hätte auch seine Stimme gezittert. In Wirklichkeit hatten er und Dad sich größere Sorgen um Paul gemacht, als sie zugeben wollten.
    Als Ruth wieder in der Lage war, sich aufzusetzen und zu lächeln, fragte Dad: «Irkutsk, wo ist das eigentlich?»
    Das Mädchen antwortete sofort: «Am Baikalsee, mitten in Sibirien.»
    «Hoppla», sagte Dad, «woher kennst du dich denn so gut in Erdkunde aus?»
    Wie sich herausstellte, befand sich unter Pauls Büchern auch ein alter Atlas, und Ruth hatte die Seite mit Sibirien bis in den hintersten Winkel auswendig im Kopf; sie kannte den Namen jedes einzelnen Bahnhofs an der transsibirischen Eisenbahnstrecke: Omsk, Tomsk, Tobolsk.
    Dad fand das lustig und ließ es sie aufsagen – also wirklich, wenn ein Fahrplan abgedruckt gewesen wäre, hätte sie auch noch sagen können, wann der Nachtgüterzug in Wladiwostok eintreffen musste! Sie wusste über die physische Geografie des Landes Bescheid, welche Völker dort lebten, die Flora und Fauna und die wichtigsten Wirtschaftszweige, Pilze, Bauholz, Weizen und Milchprodukte.
    Das einzige Problem war, dass ihre Informationen zwanzig Jahre alt waren. Na gut, dann würde sie eben noch heute Nachmittag die Postkutsche nach Roseville nehmen und sich dort in der Bücherei einen großen, neuen Atlas suchen und vielleicht noch ein paar Bücher zum Thema. Bunny erbot sich, sie hinzufahren, und sie fanden einen Atlas mit einem Bild von Irkutsk. Man sah einen öffentlichen Platz mit Gebäuden, Kirchen oder Moscheen oder wie man dazu sagte, deren runde Kuppeln oben in einer Spitze ausliefen; am Boden lag Schnee, und es gab Schlitten mit einem Geschirr, das einen hohen Bogen über dem Pferdehals beschrieb. Es sei furchtbar kalt dort, sagte Ruth, Paul sei ein solches Wetter nicht gewohnt; aber Bunny lachte und sagte, sie solle sich keine Sorgen machen, Paul habe jede Menge zum Anziehen, das sei die bestausgestattete Armee in der Geschichte, und solange die Eisenbahn fahre, müsse niemand leiden.
    Aber das genügte Ruth nicht, sie wollte, dass Paul heimkam. Jetzt, wo der Krieg vorbei war, musste er doch schon unterwegs sein!
    Bunny erwiderte darauf, sie solle sich gedulden, ein Waffenstillstand sei eben nicht dasselbe wie ein Friedensschluss, es müsse noch viel verhandelt werden, und so lange rühre sich die Armee nicht vom Fleck. 47 Aber nach dem Friedensschluss komme Paul sicher zurück, «denn wenn der Krieg vorbei ist, werden wir wohl kaum die Transsibirische Eisenbahn weiterbetreiben!» Das sagte Bunny mit einem Lachen, denn es sollte ein Scherz sein, und Ruth lächelte, weil es auch in ihren Ohren komisch klang – so wenig Ahnung hatten sie von der komplizierten Weltdiplomatie, diese beiden arglosen kalifornischen Kindlein!
    11
    Bunny ging eine Woche lang mit Dad auf Wachteljagd oder wanderte

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