Öl!
einmal sei Mrs Roscoe zufällig im selben Hotel abgestiegen; dann hätten die Zeitungen von ihren Aktivitäten auf der Seite «Die elegante Welt» berichtet und von denen Annabelles auf der Filmseite, sodass es nie zum Eklat gekommen sei.
In Wirklichkeit existierte das Land der stolzen Pilgerväter gar nicht mehr; an seine Stelle war das Land der glorreichen Millionäre getreten. Wenn eine Filmschauspielerin – mit oder ohne Liebhaber – gen Osten reiste, brach sie stets bei Tageslicht auf, und ihr Werbemanager sorgte dafür, dass die Zeitungen Stunde und Ort bekannt gaben. Dann standen Tausende da und jubelten, Polizisten hielten sie im Zaum, Kameras klickten, und riesige Blumensträuße machten allen Leuten im Zug klar, um wen es sich handelte. An jedem Bahnhof verlangten neue Massen lauthals nach ihrem Idol, und wenn im selben Abteil ein Ölprinz mitreiste, war das nicht skandalös, sondern romantisch.
Auch in New York war von Schmolsky-Superbas geschäftstüchtiger Werbemaschinerie eine Menschenmenge aus dem Nichts herbeigezaubert worden. Im Hotel warteten Menschen und weitere Riesensträuße, und ein Dutzend Reporter baten um Interviews. Welcher Portier oder Hausdetektiv, und sei er noch so dienstbeflissen, würde sich bei all dieser Gratiswerbung für sein Hotel mit der Frage beschäftigen, ob die Verbindungstür zwischen zwei Suiten geschlossen blieb? Wo obendrein eine so bedeutende, angesehene Persönlichkeit wie J. Arnold Ross mitreiste, der strahlend seine Zustimmung kundtat! Dads Gesicht wog in allen Hotels landesweit ein Dutzend Trauscheine auf.
Für den alten Mann war diese Reise ein einziges ungetrübtes Vergnügen, wie ein Schwips ohne Kater am nächsten Morgen. Er bestand darauf, alle Rechnungen zu bezahlen, und da er seine Sekretärin dabeihatte, wurde alles wie von Zauberhand erledigt – Zugabteile, Hotelsuiten, Taxis, Blumen, Konfekt, Theaterkarten – man musste nur einen Wunsch andeuten, schon war er erfüllt. Was fehlte da noch zur irdischen Glückseligkeit? Vielleicht, dass Vee ab und zu gern eine handfeste Mahlzeit zu sich genommen und lieber ausgeschlafen hätte, als sich allmorgendlich «schlankturnen» zu müssen.
Sie wohnten der Weltpremiere von «Lockende Blicke» bei. Möglicherweise hat der Leser nie ein amerikanisches College besucht und ist mit unserer quirligen Sprache nicht vertraut; deshalb sei hier erklärt, dass allgemeiner Beobachtung zufolge die Blicke von Studentinnen – sei es von Natur aus oder durch lange Übung – die anregende Fähigkeit besitzen, im männlichen Wesen einen plötzlichen Annäherungswunsch hervorzurufen. Ein faszinierender Titel also und ein faszinierender Film, der die müden und gelangweilten Millionen in die Welt jenes fabelhaften Reichtums entführte, in der auch Vee und Bunny lebten. Der Monteur, der in einer Automobilfabrik den ganzen Tag die Mutter Nr. 847 aufgeschraubt hatte, die Hausfrau, die Windeln gewaschen und in einem Billigladen irgendwelchen Kitsch gekauft hatte – sie alle befanden sich jetzt in derselben Lage wie Dad, sie gönnten sich eine Art Schwips ohne Kater!
Die Szenerie der Premiere in New York glich der in Angel City, genauso viele Menschen, genauso begeisterter Jubel. Und Vee und Bunny, in ihren seidenen Nachthemden im Bett sitzend, während schwarz gekleidete Roboter stumm und mechanisch das Frühstück auf silbernen Tabletts servierten – Vee und Bunny lasen die Berichte über ihren Triumph, wer zugegen war und wer was getragen hatte. Dann blätterte Bunny um und las eine Meldung aus Angel City: Zehntausend Ölarbeiter waren in Streik getreten und hatten die Produktion lahmgelegt. Die Unternehmer erklärten, sie würden die Ölbehörde nicht mehr anerkennen und eine neue Lohntabelle erstellen, ob ihr das passe oder nicht. Man befürchte Scherereien, hieß es weiterhin in den Zeitungen, denn bekanntlich seien seit einiger Zeit unter den Arbeitern radikale Agitatoren zugange.
6
Bunny hatte Ferien und musste sich amüsieren; wenn er das nicht tat, verdarb er damit auch seinen beiden Reisegefährten den Spaß. Er musste sie lächelnd ins Theater begleiten, anschließend Dad in einem Taxi heimschicken, mit Vee zu einer Abendgesellschaft gehen, dort mit Filmleuten über deren Produktionen und Profite plaudern, zuschauen, wie sie sich betranken, und hinnehmen, dass eine Stunde lang über Prohibition und Schmuggel gesprochen wurde, sobald er und Vee sich weigerten zu trinken. Ob sie «trocken» seien? Oder dem Whiskey
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