Öland
Lambert.«
»Lambert?«
»Lambert aus Långvik … Lambert Karlsson, glaube ich,
hieß er.«
»Lambert Nilsson wohl eher«, erwiderte Ljunger. »Einen
anderen Lambert gibt es in Långvik nicht.«
»Genau, Nilsson hieß er«, sagte Julia.
»Aber Lambert lebt nicht mehr«, teilte Ljunger ihr mit. »Er
starb vor fünf oder sechs Jahren.«
»Ach!«
Julia war zwar ein bisschen enttäuscht, hatte aber insgeheim mit dieser Antwort gerechnet. Lambert war schon alt
gewesen, als er an jenem Nachmittag 1972 bei ihnen auf seinem Moped vorbeikam, um herauszufinden, was mit ihrem
Sohn geschehen war.
»Aber sein jüngerer Bruder Sven-Olaf lebt noch«, fügte
Ljunger hinzu. »Sven-Olaf Nilsson. Er wohnt auf dem Hügel,
hinter der Pizzeria. Sven-Olaf verkauft Eier, Sie können also
nach einem Haus Ausschau halten, bei dem Hühner auf dem
Grundstück herumlaufen.«
»Danke.«
»Wenn Sie zu ihm gehen, grüßen Sie Sven-Olaf von mir,
und richten Sie ihm aus, dass es jetzt noch billiger geworden
ist, sich der kommunalen Wassergemeinschaft anzuschließen«,sagte Ljunger und lachte. »Er ist nämlich der Einzige in
ganz Långvik, der daran festhält, dass ein eigener Brunnen
das Beste ist.«
»Okay«, sagte Julia.
»Sind Sie Gast bei uns?«, fragte Ljunger, als Julia sich zum
Gehen wandte.
»Nein, aber als ich jung war, bin ich oft hier gewesen. Ich
wohne in Stenvik. Ich heiße Julia Davidsson.«
»Sind Sie mit dem alten Gerlof verwandt?«, fragte Ljunger.
»Ich bin seine Tochter.«
»Ach, wirklich?«, sagte Ljunger. »Dann grüßen Sie ihn bitte
herzlich. Er hat ein paar Buddelschiffe für uns gebaut, fürs
Restaurant. Wir hätten gerne noch mehr.«
»Das werde ich ihm ausrichten.«
»Es ist schön in Stenvik, nicht wahr?«, fragte Ljunger. »Ruhig und beschaulich, mit geschlossenem Steinbruch und leer
stehenden Häusern.« Er lächelte. »Hier oben haben wir einen
anderen Weg gewählt. Expandieren und auf Tourismus setzen – mit Golf und Konferenzen! Wir sind der Meinung, dass
es der einzige Weg ist, die Küstenorte im Norden der Insel am
Leben zu erhalten.«
Julia nickte zögernd.
»Das scheint ja auch zu funktionieren.«
Hätte Stenvik auch auf den Tourismus setzen müssen? Julia
dachte darüber nach, während sie das Büro verließ und über
den zugigen Parkplatz lief. Eine Antwort erübrigte sich, denn
Långvik hatte einen zu großen Vorsprung. Man würde nie
eine Pizzeria oder ein Strandhotel in Stenvik bauen können.
Das Dorf würde wie bisher die meiste Zeit des Jahres verödet
sein und nur in den wenigen Sommermonaten zum Leben erwachen, wenn die Urlauber kamen.
Die Straße schwenkte vom Hafen weg und einen Hügel
hinauf, wo sie auf einmal den Wind im Rücken hatte. Auf derHügelkuppe befand sich ein Wäldchen, und dahinter lag,
umgeben von einer kleinen Mauer, ein Garten mit einem
weiß gekalkten, kleinen Wohnhaus und einem Hühnerstall
aus Stein mit eingezäuntem Auslauf.
Es war kein Huhn zu sehen, aber auf einem Holzschild am
Gartentor stand EIER ZU VERKAUFEN.
Julia öffnete das Tor und stand auf einem Weg aus unebenen Kalksteinplatten.
Nachdem Julia geklingelt hatte, blieb es einen Moment
lang still, dann aber war ein dumpfes Geräusch zu hören,
und schließlich wurde die Tür aufgeschlossen. Ein älterer
Mann schaute heraus, hager, faltig und mit silberfeinem, gescheiteltem Haar.
»Hallo«, sagte er.
»Hallo«, erwiderte Julia.
»Wollen Sie Eier?«
Offensichtlich hatte sie ihn beim Mittagessen gestört, denn
er kaute noch.
Julia nickte. Natürlich, sie könnte auch ein paar Eier
kaufen.
»Heißen Sie Sven-Olaf?«, fragte sie.
»Ja, ja, so ist es«, murmelte der Mann und stieg in ein paar
schwarze Gummistiefel, die neben der Tür standen. »Wie
viele sollen es denn sein?«
»Sechs Stück.«
Sven-Olaf Nilsson verließ das Haus, und kurz bevor er die
Tür schließen wollte, lief hinter ihm lautlos eine schmale
Katze aus dem Haus wie ein pechschwarzer Schatten. Sie
würdigte Julia keines Blicks.
»Ich hole die Eier«, sagte er.
»Danke«, entgegnete Julia, aber als Sven-Olaf sich auf den
Weg zum Hühnerstall machte, folgte sie ihm.
Als er jedoch in das Gehege ging, blieb sie auf der anderen Seite der Türschwelle stehen. Sie befand sich in einemkleinen Vorraum, im dem keine Hühner waren, nur ein
paar Kartons mit weißen Eiern, die auf einem kleinen Tisch
standen.
»Ich werde ein paar frisch
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