Öland
an. »Und die
Besitzer … die Blombergs? Was für einen Eindruck hast du
von ihnen?«
»Sie waren nicht besonders gesprächig. Was ist mit ihnen?«
»Robert Blomberg ist viele Jahre zur See gefahren, habe ich
gehört«, erzählte Gerlof, »bis nach Südamerika.«
»Aha«, erwiderte Julia nur.
Gerlof betrachtete den Hafen und empfand leise Wehmut.
»Kein Happy End«, sagte er.
»Wie bitte?«, fragte Julia.
»Viele Geschichten haben einfach kein Happy End.«
»Viel wichtiger ist, dass sie überhaupt ein Ende haben«,
sagte Julia. Sie sah zu ihm. »Denkst du an etwas Bestimmtes?«
»Ja … an die öländische Seefahrt«, erklärte Gerlof. »Es hätte
besser für sie ausgehen können. Es hat zu jäh geendet.«
Der Hafen von Borgholm war zwar wesentlich größer als
die Häfen in Marnäs und Långvik, aber trotzdem überschaubar. Es gab nur eine lange Pier, unddie war leer. Nicht ein einziges Fischerboot war vertäut. Manhatte einen großen, schwarz
lackierten Anker auf den asphaltierten Hafenplatz gezogen,
wahrscheinlich um an lebhaftere Zeiten zu erinnern.
»In den Fünfzigerjahren lagen die Frachtsegler hier dicht
gedrängt«, schwelgte Gerlof in seiner Erinnerung und blickte
durchs Seitenfenster auf das graue Wasser hinaus. »An einem
Herbsttag wie heute wären sie beladen und instand gesetzt
worden, der Hafen wäre voller Menschen gewesen. Es hätte
nach Teer und Lacken gerochen. Und bei gutem Wetter wären
die Segel gehisst und im Wind getrocknet worden. Gelbweiße
Segel aneinandergereiht vor einem blauen Himmel, das war
ein wunderschöner Anblick …«
Er verstummte.
»Seit wann legen hier keine Schiffe mehr an?«, fragte Julia.
»Tja, das muss in den Sechzigern gewesen sein. Aber das
Problem war nicht, dass sie nicht mehr anlegten, sondern
eher, dass von hier kein beladenes Schiff mehr den Hafen verließ. Die meisten Schiffer hätten in dieser Zeit ihre Segler gegen modernere Frachter austauschen müssen, um mit den
Reedereien auf dem Festland konkurrieren zu können, aber
die Banken haben damals keine Kredite bewilligt. Sie hatten
den Glauben an die öländische Seefahrt verloren. Auch mir
haben sie keinen Kredit gegeben, darum habe ich meinen
letzten Segler, die Nore, verkauft. Und danach habe ich einen
Abendkurs zur Ausbildung als Verwaltungsangestellter besucht, damit im Winter die Tage schneller vorbeigingen.«
»Ich kann mich an keinen Winter erinnern, in dem du zu
Hause warst«, sagte Julia leise. »Ich kann mich überhaupt
nicht erinnern, dass du jemals zu Hause warst.«
Gerlof sah seine Tochter überrascht an.
»Doch, natürlich war ich zu Hause. Mehrere Monate sogar. Ich wollte im Jahr darauf eigentlich als Kapitän auf
große Fahrt gehen, aber dann habe ich die Stelle in der
Kommunalverwaltung bekommen und bin zu Hause geblieben. John Hagman, mein Steuermann, hat es anders
gemacht. Er kaufte sich einen eigenen Frachter, als ich an
Land ging, und fuhr noch ein paar Jahre. Sein Schiff war eines der letzten aus Borgholm. Ironischerweise hieß es Lebewohl.«
Julia hatte den Wagen langsam am Hafenkai vorbeirollen
lassen und fuhr auf die großen Holzhäuser zu, die hinter
hübschen Gartenzäunen standen. Das Haus direkt am Hafen
war das größte, breit und weiß und fast so groß wie das
Hafenhotel.
Gerlof hob die Hand.
»Du kannst hier anhalten«, sagte er.
Julia hielt am Bürgersteig vor dem Haus. Gerlof lehnte sich
vorsichtig vor und öffnete seine Aktentasche.
»Die öländischen Besitzer der Frachter waren zu starrköpfig«, sagte er und holte einen braunen Umschlag sowie ein
dünnes Buch heraus. »Gemeinsam hätten wir genügend Kapital für ein größeres Schiff gehabt. Aber so was lag uns nicht.
Einsam und stark, das war schon eher unser Credo. Wir hatten Angst, so hoch zu pokern.«
Er reichte seiner Tochter das Büchlein. 40 Jahre Malmfrakt lautete der Titel, und auf dem Umschlag prangte die
Schwarz-Weiß-Fotografie eines großen Motorfrachters, der
in strahlendem Sonnenschein durch den unendlichen Ozean
stampfte.
»Die Reederei Malmfrakt war eine Ausnahme«, sagte Gerlof. »Martin Malm war einer der wenigen Seemänner, die es
wagten, auf größere Schiffe zu setzen. Er baute eine kleine
Handelsflotte auf, die auf allen Weltmeeren unterwegs war.Er verdiente Geld und kaufte noch mehr Schiffe von dem Gewinn. Martin war Ende der Sechzigerjahre einer der reichsten Männer Ölands.«
»Aha«,
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