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Oelspur

Titel: Oelspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Erler
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Leute in der Toilette aufgehalten hätten? Egal! Auf jeden Fall weniger Zeugen als in der Bahnhofshalle. Ich glaube, dass er dir in dem Fall die Tasche einfach abgenommen und sich die Nummer mit dem Klo geschenkt hätte. Sie riskieren es, weil es trotz der vielen Wenn und Aber immer noch das Einfachste ist. Das sind Profis.«
    »Profis wofür?«
    »Diebstahl, Raub, Einschüchterung, weiß der Himmel. Jetzt stell dich nicht blöd!«
    »Sich von mir anschießen zu lassen war nicht sehr professionell. Und die kleine sadistische Einlage auch nicht.«
    »Stimmt«, sagte Anna nachdenklich, »dass in der Tasche eine Pistole war, konnte er nicht wissen. Aber warum hat er dir die Tasche nicht einfach weggerissen und sich davongemacht?«
    Ich schwieg und versuchte, den Schmerz in meiner Schulter zu ignorieren.
    »Heilige Scheiße, was läuft hier?« Annas Stimme hatte jetzt einen Unterton von aufkommender Panik. »Helen wird getötet. Jemand bricht in ihre Wohnung ein und räumt den Computer aus. Du wirst beobachtet und zwei Tage später von bewaffneten Schlägern überfallen. Und jetzt …?«
    »Okay«, sagte ich, »schauen wir uns endlich die verdammte Tasche an!«
    Anna hob die Tasche hoch und stellte sie auf die Glasplatte des kleinen Couchtisches. Dann nahm sie mit spitzen Fingern die Pistole heraus und legte sie vorsichtig und in gebührendem Abstand auf den Fußboden.
    »Hast du sie abgewischt?«, fragte sie.
    Ich schüttelte stumm den Kopf. Nach und nach räumte sie alle Kleidungsstücke aus und stapelte sie auf dem Teppich. Jeans, T-Shirts, Pullover, Wäsche, eine warme Jacke. Unauffällige, aber teure Freizeitkleidung, wie Helen sie liebte, für eine kurze Reise von vielleicht einer Woche. Zuletzt förderte Anna einen dünnen roten Plastikordner zutage und legte ihn vor mich auf den Tisch. Da war sie, die hübsche kleine Akte.
    Nichts Spektakuläres. Obendrauf der Ausdruck einer E-Mail.
    Von: [email protected]
    An: [email protected]
    Can you check this?
    Keine Unterschrift. An die Mail war eine Datei angehängt. Ein A4-Blatt mit eng gedruckten Kolonnen voll Zahlen und Daten. Und es gab drei Namen, die mit einer krakeligen, linkslastigen Handschrift oben rechts auf dem Blatt notiert waren: Krisjanis Udris, Carlo Tozzi, Fabian Mercier. Hinter jedem Namen stand eine achtstellige Zahlenreihe. Ich dachte an Kontonummern, aber die Zahlen konnten alles Mögliche bedeuten. Ich schob Anna das Blatt über den Tisch. Sie starrte eine Weile darauf und blickte mich dann finster an. So, als ob ich ihr ein besonders idiotisches Rätsel aufgegeben hätte, um ihre Zeit zu stehlen.
    »Was soll das?«
    Bei dem Versuch, ratlos mit den Schultern zu zucken, schoss ein elektrisierender Schmerz durch meinen verletzten Arm. Ich hatte angefangen, stark zu schwitzen.
    »Du musst zu einem Arzt damit«, sagte Anna.
    »Was soll ich dem erzählen, wie das passiert ist? Sportverletzung?«
    Anna kicherte leise.
    »Sag ihm, die Bullen hätten dich in der Mangel gehabt. Auf einer Demo. Da gibt’s immer jede Menge verdrehter Arme. Meist kombiniert mit heftigen Kopfschmerzen. Morbus Brokdorf.« Ich schloss die Augen und dachte an Helen. Zumindest in Sachen Humor waren die Jonas-Schwestern nicht so übermäßig verschieden.
    »Tut mir leid«, sagte Anna nach einer Weile, »ich weiß auch nicht … Glaubst du, dass Helen wegen diesem Wisch getötet worden ist?«
    »Ich weiß es nicht. Aber hinter was hätten die Typen vom Bahnhof sonst her sein sollen? Sie wollten um jeden Preis die Tasche haben – und das bestimmt nicht wegen der Klamotten. Vielleicht haben sie nicht genau gewusst, was in dem Ordner ist. Aber als sie mir von der Redaktion zum Bahnhof gefolgt sind und mich an den Schließfächern gesehen haben, haben sie die Tasche mit Helen in Verbindung gebracht.
    Mal der Reihe nach: Helen bekommt eines Tages eine Mail von einem gewissen Jaeggi. Könnte auch eine Frau sein, egal. Sie wird gebeten, etwas zu überprüfen. Drei Namen und einen Haufen Zahlen. Die beiden müssen sich bereits gekannt haben, denn Helen hätte nicht angefangen zu recherchieren, wenn sie Jaeggi für einen x-beliebigen Spinner aus dem Internet gehalten hätte. Und vor allem, sie konnte offenbar mit der Nachricht etwas anfangen. Jaeggi wiederum hat sich gezielt und bewusst an sie gewandt.
    Also, Helen bekommt die Mail und fängt an, ein paar Nachforschungen anzustellen. Sie ruft Leute an, stellt Fragen und macht ein Interview im Institut für Meeresbiologie. Und sie erregt

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