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Oelspur

Titel: Oelspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Erler
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glatt durch die Wand des alten Hauses dringen würde. Und durch mich.
    Villani hatte die ganze Zeit apathisch auf dem Sofa gesessen und sich nicht von der Stelle bewegt, und wenn er dabei geblieben wäre, hätte er vielleicht eine Chance gehabt. Vielleicht auch nicht. Seine Hände waren auf den Rücken gefesselt, und ich hatte ihm einen Knebel in den Mund geschoben, kurz bevor ich das Auto kommen hörte. Er war mindestens so verrückt vor Angst wie ich, und offenbar schien ihn das extrem helle Fernlicht des Autos vor dem Haus stark zu blenden. In dem Augenblick, als der Revolver zu mir herüberschwenkte, sprang er auf und lief in die Schussbahn.
    Meine Trommelfelle schienen unter bohrenden Schmerzen zu zerreißen. Der kurze Widerhall des Revolverschusses, der Villani von den Beinen riss, dröhnte in meiner Brusthöhle wie ein tibetanischer Gong. Villani lag mit dem Rücken auf dem Steinfußboden und vollführte mit Armen und Beinen wild zuckende Bewegungen.
    Dann drückte ich ab.
    Auch die Flinte war laut, aber nicht so laut, wie der Revolver des Mannes gewesen war, der jetzt, wie von einem Dampfhammer getroffen, rückwärts aus der Tür gefegt wurde. Ich hatte beide Läufe abgefeuert und ihn aus nicht mehr als zehn Metern Entfernung in die Brust getroffen. Meine rechte Schulter schmerzte von dem Rückstoß der Flinte, als ob jemand mich dort mit einem elektrischen Viehtreiber gestreift hätte, aber ich achtete kaum darauf.
    In der Luft hing ein ekelerregender Gestank von Kordit und Blut, und in den Nachhall des Schusses mischten sich die Geräusche, die Villani von sich gab. Die Kugel hatte einen Teil seiner Kehle zerfetzt. Die Stelle an seinem Hals war weiß – ein ganz und gar nicht menschliches Weiß. Als das Projektil seine Luftröhre zerriss, hatte es einen Schock verursacht, der alles Blut aus der Umgebung der Wunde vertrieben hatte. Jetzt kam es zurück und strömte schneller und schneller. Die Schmerzen mussten unerträglich sein. Da Villani noch immer den Knebel im Mund hatte, der seine Atmung erschwerte, versuchte er, durch das Loch in seinem Hals zu atmen und zu schreien. Dabei quoll stoßweise ein rötlich-brauner Schaum aus der Wunde, der ein blubberndes Geräusch verursachte, das mich bis an das Ende meiner Tage verfolgen wird. Dann wieder atmete er schlürfend das Blut in seine Lunge hinein. Mit Schaudern wurde mir klar, dass Maître Villani aus Brüssel letztendlich auf einem Steinfußboden ertrinken würde.
    Aber er war noch lange nicht tot. Immer wieder schlugen sein Kopf und seine Gliedmaßen auf den harten Fußboden auf, während sein Gesicht langsam eine blaugraue Färbung annahm. Es war ein horizontaler Veitstanz des Todes.
    Nicht dein Problem, sagte Helens Stimme. Ich schreckte heftig zusammen, als wenn tatsächlich jemand hinter mir gestanden hätte, und fing leise an zu fluchen. Wo zum Teufel hatte sie die ganze Zeit gesteckt?
    Dann riss ich mich von dem Anblick des Sterbenden los und rannte mit dem Gewehr unter dem Arm in den Wald.
     

Dreiunddreißig
    N
    ach etwa dreißig Metern schlug ich einen Halbkreis nach links, duckte mich in das hohe Gras und schaute durch die Bäume zum Haus hinüber. Es war ein lichter Wald, der nur wenig Deckung bot, aber dafür war der Boden weich, und es gab kaum dürre Äste und Unterholz, das knacken konnte. Ein unbestreitbarer Vorteil angesichts der Tatsache, dass ich so gut wie gar nichts sehen konnte.
    Die nahezu vollständige Finsternis um mich herum stand in scharfem Kontrast zu der geisterhaften Helligkeit, mit der die Autoscheinwerfer die Szenerie ausleuchteten. Das angestrahlte Haus, aus dem Villanis unheimliche Geräusche drangen, und die Leiche in der offenen Tür wirkten wie ein Filmset. Nur dass vermutlich niemand »Cut« rufen würde.
    Ich sah jetzt eine schattenhafte Gestalt auf das Haus zuhuschen, die geschickt jede Deckung ausnutzte, den Toten in der Tür einfach übersprang und so blitzschnell im Haus verschwunden war, dass ich nicht hätte auf sie schießen können, selbst wenn ich es gewollt hätte. Sie hatten nicht lange gebraucht, um ihren Schock zu überwinden, und der Mut und die Bedenkenlosigkeit, mit welcher der zweite Mann in das Haus eingedrungen war, trugen nicht gerade zu meiner Beruhigung bei. Wieso zum Teufel wusste er, dass ich nicht mehr drin war? Von dem dritten Mann war nichts zu sehen, und auch das machte mir erhebliche Sorgen, aber ich hatte keine Wahl. Und vor allem keine Zeit mehr. Am Rande meines Bewusstseins

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