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Oelspur

Titel: Oelspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Erler
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Villani auf, öffnete das Fenster zur Rückseite des Hauses und schwang mich mit dem Gewehr hinaus. Ich duckte mich, brachte die Flinte auf dem Fensterbrett in Anschlag und zielte durch das geöffnete Fenster auf die Tür. Zum einen erhoffte ich mir von der Hauswand einen gewissen Schutz, und zum anderen war mir klar, dass ich die Flinte irgendwo auflegen musste, wenn ich überhaupt etwas treffen wollte.
    Ich fragte mich, wie sie die Situation einschätzten. Villani hatte keinen Laptop dabeigehabt, um das Material an Ort und Stelle zu prüfen. Also war wahrscheinlich geplant gewesen, dass er mit der CD zu ihnen stieß und weitere Schritte erst unternommen wurden, wenn klar war, dass sie hatten, was sie wollten. Sie fühlten sich sicher, denn schließlich hatten sie Anna. Wie viel Zeit hatten sie für Villani eingeplant? Hatten sie ihn so lange vermisst, dass sie misstrauisch geworden waren? Auf jeden Fall mussten sie davon ausgehen, dass etwas nicht stimmte. Wenn sie näher kamen, sahen sie Villanis Lexus vor dem dunklen Haus stehen. Was würden sie daraus schließen? Villani war kein Mann, der zu Fuß über Feldwege und Matschwiesen lief. Wenn sein Auto da war, musste auch er hier irgendwo sein, und wenn er sich nicht bei ihnen gemeldet hatte, konnte das nur daran liegen, dass jemand ihn daran hinderte. Nur, wer konnte das sein? Mein ganzer Plan beruhte letztendlich darauf, dass ich in ihren Augen für diese Rolle überhaupt nicht infrage kam. Wenn sie den Opel nicht entdeckten, gingen Sie möglicherweise davon aus, dass ich bereits weg war.
    Der Wagen hielt jetzt in einigem Abstand vor dem Haus, und der Motor wurde abgestellt. Das Abblendlicht ließen sie an. Ich hörte das Zuschlagen der Autotüren und gedämpfte Stimmen. Einer kam offenbar näher auf das Haus zu, denn er war jetzt deutlich lauter als die anderen.
    »Hey, Villani …?!« Danach kam etwas, das sich wie eine Art Flämisch mit starkem osteuropäischem Akzent anhörte.
    Als sie keine Antwort erhielten, nahm das Stimmengewirr einen Augenblick zu und wurde dann von einer befehlsgewohnten Stimme abrupt unterbrochen. Erneut wurden Autotüren zugeschlagen, und gleich darauf schnitten zwei scharfe Lichtkegel durch die Dunkelheit. Mit den Taschenlampen suchten sie die Umgebung des Hauses ab. Ich konnte jetzt drei Stimmen unterscheiden, ohne allerdings das Geringste zu verstehen.
    Sie waren zu dritt in einem Auto gekommen, und wenn Villani nicht gelogen hatte, war Anna bei ihnen. Aber wo?
    So wie ich sie kannte, hatte sie wahrscheinlich trotz ihrer Angst jede Menge Ärger gemacht, und ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie sie, gefesselt oder nicht, auf der Rücksitzbank hierher gebracht hatten. Es war kein schöner Gedanke, aber ich war beinahe sicher, dass Anna sich im Kofferraum des Wagens befand. In welchem Zustand, wagte ich mir nicht vorzustellen. Wenn sie sich dem Haus näherten, musste ich es irgendwie schaffen, in ihren Rücken zu gelangen und den Kofferraum zu öffnen. Was, wenn er verriegelt war?
    Plötzlich hörte ich einen überraschten Ausruf. Die Lichtkegel schienen sich auf einen Punkt zu konzentrieren, und die Stimmen klangen jetzt alarmiert und wachsam. Sie hatten den Opel gefunden, und mein dilettantischer Versuch, ihn zu tarnen, hatte ihnen offenbar zu denken gegeben. Es war schlagartig still, und ich wusste, was das zu bedeuten hatte.
    Sekunden später wurde der Raum gleißend hell, und praktisch zeitgleich brach jemand durch die Tür. Sie hatten bei ihrem Auto das Fernlicht angestellt, und der Mann, der jetzt hereinkam, stand nach einem einzigen Tritt gegen das Türschloss schon beinahe mitten im Zimmer. Er hatte sich geduckt und hielt mit beiden Händen einen riesigen Revolver aus rostfreiem Stahl, der einen Halbkreis in meine Richtung beschrieb, als er mich am Fenster entdeckte. Ein kurzer Moment der Verblüffung beim Anblick des Gewehrs, dann schien sein Körper sich zu straffen und in der Bewegung für den Bruchteil einer Sekunde einzufrieren, als er zielte und sich auf den Rückstoß der Waffe vorbereitete. Ich hatte die Flinte geladen und entsichert und weiß Gott Zeit genug gehabt, mich auf diesen Augenblick vorzubereiten, aber ich war unfähig, mich zu rühren, geschweige denn zu schießen. Eine sich rasant steigernde Panik nahm in meinem Kopf ihren Ausgangspunkt und breitete sich wellenförmig über meinen ganzen Körper aus. Überdeutlich und riesengroß sah ich die schwarze Mündung, aus der das Projektil kommen sollte, das

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