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Oelspur

Titel: Oelspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Erler
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genommen, und weg waren sie. Ach ja, sie haben deine Flinte kaputt gemacht, da hinten gegen den Baum geschlagen.«
    »Ich verstehe nicht, wie der Kerl so schnell wieder auf die Beine gekommen ist.«
    »Du hast zugeschlagen wie ein Mädchen. Er ist dann zurückgekommen und hat dir gezeigt, wie man das macht.«
    »Es ist ein scheußliches Gefühl, jemandem mit einem schweren Gegenstand auf den Kopf zu schlagen.«
    »Ja«, sagte Anna nachdenklich, »was für ein Gefühl war es, den anderen zu erschießen?«
    »Gar kein Gefühl. Ein Reflex. Im Grunde der Höhepunkt meiner Panik. Als der Typ durch die Tür kam, war ich unfähig, mich zu rühren, und wenn der Anwalt sitzen geblieben wäre, hätte es mich mit Sicherheit erwischt. Ich habe abgedrückt, als Villani vor meinen Augen zusammenbrach.«
    Anna schwieg. Die Scheiben des Astra waren jetzt von innen vollständig beschlagen, was uns auf eine merkwürdige Weise von der Außenwelt abschloss. Der von unserer Kleidung aufsteigende etwas modrige Dunst vermischte sich mit unserem Schweiß und dem Aroma des Glenfiddich und erzeugte eine intensive Treibhausatmosphäre.
    »Was hast du gemacht, als sie abgehauen sind?«, fragte ich.
    »Ich war völlig gaga, weil ich dachte, du seist tot. Als ich gemerkt habe, dass du noch atmest, habe ich eine Weile geheult und wusste überhaupt nicht, was ich machen sollte. Dann habe ich in deiner Hose das Feuerzeug gefunden. Damit bin ich herumgekrochen und habe dein Messer gesucht. Du hattest es in der Hand, als der Typ dich niedergeschlagen hat. Aber es war einfach zu dunkel, und ich habe mir mit dem Feuerzeug nur die Finger verbrannt. Zwischendurch habe ich immer wieder versucht, dich wach zu bekommen. Als es etwas heller wurde, habe ich das Messer dann doch gefunden.«
    Anna machte eine hilflose Bewegung mit ihren Schultern. Ihre Augen hatten sich plötzlich mit Tränen gefüllt.
    »Ich kann nicht glauben, was du getan hast«, schluchzte sie, »hier mit einer Flinte anzurücken wie ein verdammter Actionheld. Warum hast du ihnen die Scheiß-CD nicht gegeben? Wir könnten jetzt tot sein.«
    »Vermutlich wären wir das, wenn ich einfach gemacht hätte, was sie wollten.«
    Ich setzte zu einer ziemlich umständlichen Erklärung an, aber Anna hörte gar nicht zu. Sie zitterte und weinte und machte mir so lange Vorwürfe, bis ich genug davon hatte.
    »Wer hat uns denn die ganze Sache hier eingebrockt? Wieso bist du allein nach Rostock gefahren und hast dich wie ein Kleinkind im Parkhaus einfangen lassen? Jetzt bist du am Leben, verdammt, und jammerst die ganze Zeit, dass du tot sein könntest!«
    Anna starrte mich mit offenem Mund ungläubig an. Ich sah die Angst und Wut in ihren Augen, in denen jetzt keine Tränen mehr waren. Dann kippte ihre Stimmung.
    »Ja«, sagte sie müde, »das war so bodenlos bescheuert, dass du es mir bis Weihnachten vorhalten kannst. Ich war fasziniert von dem Gedanken, Dr. Meiners die ganze Geschichte zu präsentieren und ihn dir gleich mitzubringen. Geduld war noch nie meine Stärke. Als ich den Bus aufgeschlossen habe, haben mir zwei Männer ein Tuch mit Chloroform aufs Gesicht gedrückt. Die erste Nacht habe ich mit verbundenen Augen in irgendeinem Apartment verbracht, am nächsten Tag sind sie fast die ganze Zeit durch die Gegend gefahren.«
    »Haben sie dich …?«, ich deutete mit dem Finger auf die blutverkrustete Schramme an ihrer Schläfe.
    »Nein, eigentlich nicht. Das war der Große, den du erschossen hast. Ich hätte ihn nicht dauernd treten sollen.«
    Sie schwieg einen Augenblick und fing dann langsam an zu grinsen.
    »Ja«, sagte sie, »und wenn man bedenkt, das du gar nicht Bruce Willis bist, warst du auch ziemlich gut.«
    Ich ließ das Seitenfenster herunter und etwas Dunst hinaus. Draußen war es jetzt beinahe vollständig hell.
    »Wir müssen hier weg«, sagte ich, »aber vorher musst du noch einmal in das Haus gehen!«
    Das Lächeln auf ihrem Gesicht verlosch.
    »Warum?«
    »Weil ich dort einen Mann erschossen habe. Ich muss wissen, wie es da drinnen aussieht. Außerdem müssen wir das Gewehr mitnehmen.«
    Anna schüttelte langsam und nachdrücklich den Kopf.
    »Ich würde es selbst tun, aber wenn ich jetzt aufstehe, werde ich den ganzen Wagen vollkotzen.«
    Sie stieß einen langen, resignierten Seufzer aus.
    »Okay«, sagte sie, »keine Drohungen mehr für heute!«
    Dann stieg sie aus und ging mit steifen Gliedern zum Haus hinüber. Nach kaum fünf Minuten war sie wieder da. Ich öffnete die Tür

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