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Oelspur

Titel: Oelspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Erler
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gelandet. Oh, nein!«
    »Doch«, sagte Mischka, »Geldorf hat sich deine Stimme besorgt. Ganz legal. Es hat ihm einen Heidenspaß gemacht, mir das zu erzählen. Er hat sie von der KTU mit dem Anruf in der Notrufzentrale vergleichen lassen. ›Definitiv identisch und so beweiskräftig wie ein Fingerabdruck‹, hat er gesagt, ›und wenn Sie jemand fragt, was die Polizei um diese Zeit hier wollte, sagen Sie einfach, ein Freund von Ihnen steckt in Schwierigkeiten. Ist sogar die Wahrheit.‹«
    »Ja«, sagte ich, »das ist die Wahrheit.«
    Die Badezimmertür ging auf, und Anna kam herein. Sie war ganz in ein riesiges Badetuch gehüllt und hatte ein weiteres Handtuch wie einen Turban um den Kopf gewickelt. Ich bedeutete ihr mit einer Handbewegung zu schweigen. Sie sah mich wütend an, schnappte sich dann eine von den Einkaufstüten mit ihren neuen Klamotten und verschwand wieder im Bad.
    »Du kannst vorerst nicht nach Deutschland zurückkommen«, sagte Mischka. »Geldorf lässt zwar nicht nach dir suchen, aber wenn er dich trifft, nagelt er dich an die Wand. Nimm das Mädchen und das Geld und tauch unter. Am besten, ihr verschwindet aus Europa.«
    »Woher weißt du von dem Geld?«
    »Das habe ich für euch ausgehandelt. Gott der Gerechte, bist du begriffsstutzig!«, sagte Mischka in einem so grässlich tuntigen Tonfall, dass ich unwillkürlich lachen musste. »Denkst du wirklich, ich hätte dem Arschloch geglaubt, dass sie euch auf Dauer in Ruhe lassen, wenn sie das Material erst haben. Euer Leben und das Geld gegen die CD, das war der Deal. Nur mit viel Geld kann man wirklich von der Oberfläche verschwinden, glaub mir, und genau das solltet ihr machen.«
    »Ja, ich spreche mit Anna. Wir werden uns eine Weile nicht sehen, oder?«
    »Nein«, sagte Mischka. Dann legte er auf.
    Ich ließ den Hörer auf die Bettdecke fallen und schloss die Augen. Die Kopfschmerzen hatten etwas nachgelassen, aber ich konnte trotzdem nicht klar denken. Geldorf war also korrupt. Was für eine Überraschung. Und er hatte mich in der Hand. Es dauerte eine Weile, bis mir die ganze Tragweite dieser Tatsache klar wurde. Sie hatten keinen Grund mehr gehabt, uns umzubringen, weil sie nicht nur Helens Material, sondern auch die Option hatten, mich ganz legal aus dem Verkehr zu ziehen. Der Stimmenvergleich gab Geldorf die Möglichkeit, mich erkennungsdienstlich zu behandeln und meine Fingerabdrücke mit denen auf dem Gürtel des Mannes aus dem Bahnhofsklo zu vergleichen. Daraus würde sich ein dringender Tatverdacht ergeben, der je nach Haftrichter für ein paar Monate Untersuchungshaft lässig ausreichte. Ohne Motiv und Tatwaffe waren die Beweise für eine Mordanklage vielleicht etwas mager, aber es war genug, um mich zu ruinieren. Schließlich hatte ich so ziemlich alles getan, um die Arbeit der Polizei zu behindern. Ich würde meinen Job verlieren und vermutlich nie wieder einen finden, aber das war nicht das Schlimmste. Die eigentliche Katastrophe war der vollständige Verlust meiner Glaubwürdigkeit. Alles, was ich über Helens Tod und die Hintergründe herausgefunden hatte, würde niemanden mehr interessieren, wenn ich als Tatverdächtiger in einem Mordfall in U-Haft saß, und das war das eigentlich Geniale an Geldorfs Schachzug.
    Anna kam aus dem Badezimmer. Sie trug ein dunkelblaues Sweatshirt mit Kapuze, helle Jeans und Reeboks, die, wie ich wusste, ein Vermögen gekostet hatten. Nach dem flotten Abschied von ihrer Punkerkarriere hatte sie ganz umstandslos den Geschmack ihrer Schwester übernommen, der so einfach war wie der von Oscar Wilde: immer mit dem Besten zufrieden. Sie sah erstaunlich ausgeruht und konzentriert aus. Vorsichtig setzte sie sich zu mir auf die Bettkante und sah mich fragend an.
    »Mischka hat ihnen Helens Material ausgehändigt, und ich kann nicht nach Deutschland zurück. Das sind die Highlights!«
    Dann gab ich ihr eine möglichst genaue Schilderung des Telefongesprächs. Sie war bestürzt und traurig, aber auch auf eine merkwürdige Weise gefasst.
    »Gut«, sagte sie schließlich, »die haben gewonnen, und wir haben verloren. Ich glaube, wir hatten niemals eine Chance. Aber wir leben noch. Vielleicht ist das das Erstaunlichste an der ganzen Sache. Was passiert jetzt? Willst du wirklich alles aufgeben und mit dem Geld untertauchen?«
    »Das entscheide ich später. Denn es ist noch nicht vorbei.«
    Anna schüttelte den Kopf.
    »Doch«, sagte sie, »und das weißt du auch.«
    »Ich weiß, wer Helen getötet hat. Und sie

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