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Oelspur

Titel: Oelspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Erler
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zurück nach Brüssel, und ich entscheide, wie es weitergeht.«
    Verlaine hatte angefangen, sich Notizen zu machen, sobald ich zu sprechen begonnen hatte, und ich stellte mit Erstaunen fest, dass er die beinahe ausgestorbene Kunst der Stenografie beherrschte. Jetzt sah er von seinen Unterlagen auf und lächelte.
    »Kein Problem«, sagte er, »nicht billig – aber kein Problem. Je nachdem, in welcher Straße sich die Firma befindet, mieten wir eine Wohnung oder Büroräume auf der gegenüberliegenden Straßenseite an und fotografieren von dort. Das Prozedere dauert etwas länger, ist aber am sichersten. Falls das nicht geht, verfügen wir über mehrere spezielle Observierungsfahrzeuge, die wir sehr unauffällig platzieren können. Auch die Fahrt nach Hamburg ist selbstverständlich kein Problem. Sobald der Mitarbeiter des Fitnessclubs Ihren Mann identifiziert hat, sollten wir alle anderen Fotos vernichten. Wissen Sie schon, wie es weitergeht?«
    »Nicht genau, aber richten Sie sich darauf ein, den Mann über einen längeren Zeitraum zu observieren und Nachforschungen über seine Vergangenheit anzustellen.«
    Verlaine hatte sich entspannt zurückgelehnt, legte jetzt die Fingerspitzen aneinander und strahlte mich förmlich an.
    »Selbstverständlich«, sagte er, »das ist ja unser ureigenes Metier. Ich verspreche Ihnen, Sie werden zufrieden sein. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Wasser, Kaffee, vielleicht einen Cognac?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Bevor wir mit dem Papierkram beginnen«, sagte Verlaine, »müsste ich noch wissen, um welche Firma es sich handelt.«
    »International Maritime Solid Solutions Limited in der Avenue des Nerviens.« In Verlaines Gesicht ging eine eigenartige Veränderung vor. Sie war so minimal, dass sie mir entgangen wäre, wenn er nicht direkt im hellen Licht der Vormittagssonne gesessen hätte. Während sein Mund breit gezogen blieb, verschwand das Lächeln aus seinen Augen. Sie wurden rund und wachsam, und die um eine Winzigkeit angehobenen Nasenflügel drückten deutlich Abscheu und Widerwillen aus.
    »Verzeihen Sie«, sagte er dann, »aber in diesem Fall muss ich mit meinem Vater Rücksprache halten. Wenn Sie mich für einen Augenblick entschuldigen würden.«
    Er stand auf und verschwand hinter einer offenbar schallisolierten Tür. Wenige Minuten später kam er mit einem älteren Mann im Schlepptau zurück. Verlaine senior hatte keinerlei äußerliche Ähnlichkeit mit seinem Sohn. Er war groß und korpulent, hatte einen kantigen Bauernschädel und sah aus wie ein alt gewordener Großstadtbulle. Einer von der kurz angebundenen, reizbaren Sorte. Er schüttelte mir kräftig die Hand und ließ sich dann neben seinem Sohn hinter dem Schreibtisch nieder.
    »Sie müssen meinen Sohn entschuldigen, aber es war richtig, dass er mich hinzugezogen hat. Wir können diesen Auftrag nicht annehmen.«
    »Wieso nicht?«
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen. Tut mir leid, aber Sie müssen sich an eine andere Agentur wenden. Wir wollen mit IMSS nichts zu tun haben.«
    »Also, jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr. Von dieser Firma gehen jede Menge illegale Aktivitäten aus, die eine Reihe von Leuten das Leben gekostet haben. Ich will nichts weiter, als dass Sie die Identität eines Mannes ermitteln, der dort arbeitet. Und Sie sagen einfach Nein? Sie sind die größte Detektivagentur in Brüssel. Ist der Auftrag zu schwierig für Sie? Oder kann es sein, dass Sie Angst vor denen haben?«
    Verlaine starrte mich giftig an und kaute auf seiner Unterlippe herum.
    »Ich glaube, dieses Gespräch ist jetzt zu Ende«, sagte sein Sohn.
    Der Alte schüttelte den Kopf und gab einen resignierten Seufzer von sich.
    »Wir haben schon einmal versucht, über IMSS Nachforschungen anzustellen«, sagte er angewidert, »und zwar vor etwa acht Jahren. Auftraggeber war ein amerikanisches Konkurrenzunternehmen. Unsere Leute sind damals entdeckt worden, und die Firma hat versucht, uns mit allen erdenklichen Mitteln zu ruinieren. Sie haben uns mit Klagen überzogen, uns in der Presse diffamiert und unsere Mitarbeiter eingeschüchtert. Die Öffentlichkeit zu manipulieren ist schließlich ihr Spezialgebiet. Dann kam die Steuerfahndung, stellte unsere Büros auf den Kopf und legte uns praktisch für drei Wochen still. Können Sie sich vorstellen, wie viele Aufträge eine Detektei noch bekommt, die derartig im Rampenlicht steht? Wir haben monatelang nichts verdient. In der Security-Abteilung von IMSS arbeiten einige der

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