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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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anderen Virentypen vermischt, die von außen
eingeschleppt worden waren. Infolgedessen war die Vielfalt der
Wirkungsweisen unüberschaubar geworden. Viele der anderen
Kirchen stützten ihre abweichenden theologischen Lehrmeinungen
auf leichte Abwandlungen des ursprünglichen Virenstamms oder
verdankten solchen Abwandlungen gar ihre Existenz. Blutzoll war bemüht, das Chaos zu bändigen, indem es besonders
wirksame und theologisch einwandfreie Stämme isolierte und
andere unterdrückte. Individuen wie Vaustad wurden oft als
Probanden für Versuche mit neu gewonnenen Viren eingesetzt.
Zeigten sich psychotische oder andere unerwünschte
Nebenwirkungen, dann wurden die Stämme eliminiert. Vaustad
verdankte den Status des Versuchskaninchens einer Reihe von
unüberlegten Bemerkungen. Seine Ängste vor den Auswirkungen
waren mit jeder neuen Testspritze stärker geworden.
    »Ich hoffe nur, Sie wissen, was Sie tun«, sagte Quaiche.
»Ich brauche das Offizium jetzt mehr denn je, Grelier.
Ich bin im Begriff, meinen Glauben zu verlieren.«
    Quaiche litt unter schweren Glaubenskrisen. Inzwischen war er
gegen das reine Virus, mit dem er infiziert worden war, bevor er auf
der Gnostische Himmelfahrt anheuerte, immun geworden. Eine der
wichtigsten Aufgaben des Blutzoll-Offiziums bestand darin, neu
mutierte Stämme zu isolieren, von denen man hoffen konnte, dass
sie bei Quaiche noch wirkten.
    Grelier ging nicht damit hausieren, aber es wurde zunehmend
schwieriger, solche Stämme zu finden.
    Quaiche befand sich also wieder in einer Krise. Sonst sprach er
nie von der Möglichkeit eines Glaubensverlustes. Sein Glaube war
einfach da, er gehörte zu ihm. Nur in der Krise konnte er ihn
als chemisches Produkt sehen. Grelier fand diese Phasen tief
beunruhigend. Wenn Quaiche mit sich selbst haderte, war er vollkommen
unberechenbar. Grelier musste an das rätselhafte Glasfenster in
der Haupthalle denken und fragte sich, ob da womöglich ein
Zusammenhang bestünde.
    »Wir kriegen Sie bald wieder hin«, sagte er.
    »Gut. Das ist auch dringend nötig. Wir stecken in
Schwierigkeiten, Grelier. Von der Gullveig-Kette werden
größere Eisstürze gemeldet, die den Weg blockieren. Wir werden sie mit allen Mitteln beseitigen
müssen. Aber selbst wenn wir Gottesfeuer einsetzen, steht
zu befürchten, dass wir hinter Haldora
zurückbleiben.«
    »Wir holen die Zeit wieder ein. Das war doch noch immer
so.«
    »Wenn die Verzögerung zu groß wird, müssen
wir vielleicht zu drastischen Maßnahmen greifen. Der
Maschinenraum soll sich für alles bereithalten – auch
für das Undenkbare.« Der Stuhl neigte sich wieder in die
Horizontale, die Spiegel gingen langsam mit. Quaiches Spiegelbild
zerfiel und entstand von neuem. Die Spiegel hatten die Aufgabe,
Haldoras Licht in Quaiches Blickfeld zu lenken, damit er, wo immer er
saß, den Planeten mit eigenen Augen sehen konnte. »Das
Undenkbare, Grelier«, wiederholte er. »Sie wissen doch, was
ich damit meine?«
    »Ich nehme es an«, sagte Grelier. Und dann dachte er an
Blut und an Brücken. Er dachte auch an das Mädchen, das er
in die Kathedrale bringen wollte, und fragte sich, ob er vielleicht
– nur vielleicht – eine Lawine ins Rollen gebracht hatte,
die nicht mehr aufzuhalten war.
    Er wird es nicht tun, dachte er. Er ist
wahnsinnig, gewiss, aber nicht vollkommen übergeschnappt. Er
würde die Morwenna niemals über die Brücke, über
die Absolutionsschlucht schicken.

 
Achtzehn
Ararat

2675
     
     
    Die Karte vom Innern der Sehnsucht nach Unendlichkeit, eine
lange, abgegriffene und vergilbte Papierrolle, wurde an einem Ende
von Bloods Messer gehalten, am anderen von dem schweren Silberhelm,
den Palfrey im Schrott gefunden hatte. Sie war über und
über mit krakeligen Bleistift- und Tintenlinien bedeckt. An
manchen Stellen waren die Linien so oft ausradiert und neu gezeichnet
worden, dass das Papier so durchscheinend war wie Pergament.
    »Haben wir nichts Besseres?«, fragte Blood.
    »Es ist besser als nichts«, sagte Antoinette. »Wir
müssen eben mit sehr begrenzten Mitteln so viel wie möglich
erreichen.«
    »Na schön.« Das Schwein hatte diesen Satz in der
vergangenen Woche hundertmal gehört. »Und was sagt uns
diese Karte?«
    »Sie sagt uns, dass wir ein Problem haben. Hast du mit
Palfrey gesprochen?«
    »Nein. Das hat Scorp erledigt.«
    Antoinette spielte mit ihren klobigen Ohrringen. »Ich habe
mich auch mit ihm unterhalten. Ich wollte wissen, wie die Dinge
liegen. Offenbar sind in der

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