Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
schon
Zahlen in elektronischen Registern? Ich will es mit eigenen Augen
sehen. Darauf kommt es mir an.«
    »Aber dann müssen Sie Haldora ständig beobachten,
oder jedenfalls…« – Grelier verbesserte sich hastig
– »so lange, bis es wieder verschwindet. Aber wie lange hat
die letzte Auslöschung denn gedauert? Weniger als eine Sekunde?
Weniger als einen Lidschlag? Wenn Sie sie nun verpassen?«
    »Das darf eben nicht passieren.«
    »Die Hälfte des Jahres ist der Planet doch gar nicht zu
sehen.« Grelier schwenkte den Arm hoch über dem Kopf.
»Haldora geht auf und unter.«
    »Dann muss man ihm eben folgen. Beim ersten Mal brauchten wir
weniger als drei Monate, um Hela zu umrunden; beim zweiten Mal
blieben wir unter zwei Monaten. Noch einfacher wäre es, so
langsam zu fahren, dass man mit Haldora Schritt hält. Ein
Drittel Meter pro Sekunde würde genügen. Wenn man bei
dieser Geschwindigkeit dicht am Äquator bleibt, steht Haldora
immer senkrecht über einem. Nur die Landschaft verändert
sich.«
    Grelier hatte erstaunt den Kopf geschüttelt. »Sie haben
sich das schon genau überlegt.«
    »Das war nicht schwierig. Wenn wir die Rover miteinander
verbinden, bekommen wir eine fahrende
Beobachtungsplattform.«
    »Und was ist mit Schlaf? Und mit den
Lidschlägen?«
    »Sie sind der Arzt«, hatte Quaiche entgegnet.
»Finden Sie eine Lösung.«
    Und das hatte er getan. Der Schlaf ließ sich mit
Neurochirurgie und Medikamenten unterdrücken, die
Ermüdungsgifte wurden mit einer leichten Blutwäsche
ausgefiltert. Den Lidschlag schaltete er ebenfalls aus.
    »Welche Ironie«, hatte er dabei bemerkt. »Genau das
war es, was den Ehernen Panzer so beängstigend machte: kein
Schlaf und eine immergleiche Sicht der Realität. Und jetzt
verlangen Sie genau das.«
    »Es hat sich manches geändert«, hatte Quaiche
gesagt.
    Jetzt stand Grelier im Turmzimmer des Dekans und hatte das
Gefühl, die Jahre fielen einfach ab. Er hatte das vergangene
Jahrhundert nur als eine Serie von Schnappschussepisoden erlebt, denn
man hatte ihn immer nur dann aus dem Kälteschlaf geweckt, wenn
Quaiche ihn dringend brauchte. An die erste Umrundung im gleichen
Tempo wie Haldora erinnerte er sich gut. Sie hatten die Rover wie ein
Floß zusammengebunden. Ein oder zwei Jahre später war,
angelockt vom schwachen Energieblitz der zerstörten Gnostische Himmelfahrt, ein Ultra-Schiff aufgetaucht. Die
Ultras waren neugierig, aber natürlich auch misstrauisch
gewesen. Das Schiff blieb in sicherem Abstand, man schickte
Abgesandte mit kleinen Fähren herunter, die entbehrlich waren.
Quaiche handelte für Flitzerfossilien Ersatzteile und
verschiedene Dienstleistungen ein.
    Ein bis zwei Jahrzehnte nach Abschluss dieser Geschäfte traf
ein weiteres Schiff ein. Diese Ultras waren ebenso misstrauisch und
ebenso offen für Handelsbeziehungen. Die Flitzerfunde waren
genau das, was der Markt wollte. Und dieses Schiff hatte nicht nur
Ersatzteile anzubieten: Es beförderte Schläfer in seinem
Frachtraum, unzufriedene Auswanderer aus einer Kolonie, von der weder
Quaiche noch Grelier jemals gehört hatten. Die Nachricht
über das Mysterium von Hela, die Gerüchte von einem Wunder
– waren über Lichtjahre bis zu ihnen gedrungen.
    So kam Quaiche zu seinen ersten Jüngern.
    Tausende waren ihnen gefolgt, dann zehntausende und
schließlich hunderttausende. Hela wurde für die Ultras zur
lukrativen Zwischenstation im weit gespannten Netz des interstellaren
Handels. Die Kernwelten, mit denen man früher Handel getrieben
hatte, wurden nicht mehr angeflogen. Sie stöhnten unter Seuchen
und Kriegen und seit neuestem unter einem womöglich noch
schlimmeren Schicksal. Genaueres wusste man nicht: Von dort kamen nur
sehr wenige Schiffe nach Hela, und die erzählten wirre
Geschichten von seltsamen Besuchern aus dem interstellaren Raum,
barbarischen Maschinen, uralt und grausam, die ganze Welten zerrissen
und sich an organischem Leben mästeten, selbst aber nicht
lebendiger waren als eine Uhr oder ein Modell des Sonnensystems. Wer
jetzt nach Hela kam, wollte nicht nur die wundersame Auslöschung
Haldoras erleben, sondern wähnte sich am Ende der Zeiten und
betrachtete den Mond als geeignetes Ziel für eine letzte
Pilgerfahrt, den Ort, an dem die Ereignisse ihrem Höhepunkt
zustrebten.
    Die Ultras beförderten diese Menschen gegen Bezahlung in
ihren Schiffen. Sie selbst taten so, als wären Hela und was sich
dort abspielte, für sie von allenfalls kommerziellem Interesse.
Bei einigen

Weitere Kostenlose Bücher