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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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seinen Kopf umkreiste, dann
setzte er seinen Weg fort. Er konnte nicht wissen, was dieses Objekt
für Quaiche bedeutete: Der Panzer war Morwennas letzte
Ruhestätte, eine ständige Mahnung an den hohen Preis, den
er für die erste Auslöschung des Planeten bezahlt
hatte.
    Grelier wartete, bis er sicher sein konnte, dass der Ultra nicht
zurückkam. »Worum ging es denn?«, fragte er. »Was
war das für ein Wunsch, den er ›nicht erfüllen
konnte‹?«
    »Nur das Übliche«, sagte Quaiche, als sei es unter
seiner Würde, näher darauf einzugehen. »Seien Sie
froh, dass Sie Ihr Gemüse bekommen. Und jetzt – wie war die Blutzoll- Aktion?«
    »Moment noch.« Grelier trat an die Wand und
betätigte einen Messinghebel. Die Lamellen stellten sich
senkrecht und ließen nur noch schmale Lichtstreifen einfallen.
Dann beugte er sich über Quaiche und nahm ihm die Sonnenbrille
ab, die dieser bei Verhandlungen zu tragen pflegte, teils, um seine
Augen vor zu hellem Licht zu schützen, aber auch, weil sein
nacktes Gesicht keinen erfreulichen Anblick bot. Natürlich gab
es auch Anlässe, zu denen er sie gerade deshalb nicht
aufsetzte.
    Unter den Gläsern befand sich, fest aufliegend wie eine
zweite Brille, ein Drahtgestell, das jedes Auge mit zwei mit Haken
besetzten Ringen umgab. Die Haken griffen unter die Lider und
verhinderten, dass sie sich schlossen. Außerdem enthielt das
Gestell winzige Sprühdüsen, die alle paar Minuten Quaiches
Augäpfel befeuchteten. Für Grelier wäre es einfacher
gewesen, die Lider ganz zu entfernen, aber Quaiche hatte ein
Büßersyndrom von der Größe des Ewigen Weges, und da kam ihm ein Marterinstrument wie dieser Lidspreizer gerade
recht. Er erinnerte ihn daran, stets wachsam zu sein, um keine
Auslöschung zu verpassen.
    Grelier holte aus dem Medizinschrank einen kleinen Tupfer und
beseitigte damit die Absonderungen, die sich unter den Lidern
angesammelt hatten.
    »Was ist mit dem Blutzoll, Grelier?«
    »Dazu komme ich gleich. Sagen Sie mir nur noch, was Sie mit
dem Ultra vorhatten. Wozu sollte er mit seinem Schiff dichter an Hela
heranfliegen?«
    Quaiches Pupillen weiteten sich. »Wie kommen Sie darauf, dass
ich das von ihm verlangt hätte?«
    »Stimmt es denn nicht? Warum hätte er sonst gesagt, es
sei zu gefährlich?«
    »Sie nehmen sich eine Menge heraus, Grelier.«
    Der Generalmedikus hatte die Reinigung der Augen beendet und schob
die Sonnenbrille an ihren Platz zurück. »Warum wollen Sie
die Ultras plötzlich in die Nähe holen? Seit Jahren tun Sie
alles, um die Dreckskerle in sicherer Entfernung zu halten. Und jetzt
wollen Sie auf einmal eins von den Schiffen direkt vor der Tür
haben?«
    Die Gestalt im Krankenstuhl seufzte. Im Halbdunkel wirkte Quaiche
weniger wie ein Gespenst. Grelier stellte die Lamellen wieder
waagerecht. Das gelbgrüne Shuttle hatte den Landeplatz
verlassen.
    »Es war nur so eine Idee«, sagte Quaiche.
    »Was für eine Idee?«
    »Mir ist aufgefallen, dass die Ultras in letzter Zeit
besonders nervös sind. Ich traue ihnen immer weniger. Basquiat
schien mir ein Mann zu sein, auf den man sich verlassen kann. Ich
hoffte, wir könnten eine Abmachung treffen.«
    »Was für eine Abmachung?« Grelier legte den Tupfer
in den Schrank zurück.
    »Ein Schutzbündnis«, sagte Quaiche. »Ich
wollte eine Ultragruppe nach Hela holen, um die anderen fern zu
halten.«
    »Wahnsinn«, sagte Grelier.
    »Vorsorge«, verbesserte sein Herr und Meister.
»Aber das tut nichts zur Sache. Sie waren nicht interessiert.
Hatten zu viel Angst, ihr Schiff in Helas Nähe zu bringen. Der
Mond schreckt sie ebenso sehr ab, wie er sie anzieht,
Grelier.«
    »Es werden immer wieder neue kommen.«
    »Mag sein…« Das klang gelangweilt, als sei Quaiche
des Themas bereits überdrüssig und bereue bereits, einer
flüchtigen Laune nachgegeben zu haben.
    »Sie fragten nach dem Blutzoll«, sagte Grelier.
Er kniete nieder und hob den Koffer auf. »Es gab gewisse
Schwierigkeiten, aber ich konnte Vaustad das übliche Quantum
abnehmen.«
    »Dem Chormeister? Wollten Sie denn nicht
injizieren?«
    »Ich habe es mir anders überlegt.«
    Das Blutzoll-Offizium war eine Abteilung des Glockenturms und befasste sich mit der Konservierung,
Anreicherung und Verbreitung der zahllosen Virenstämme, die sich
aus Quaiches Indoktrinationsvirus entwickelt hatten. Inzwischen hatte
nahezu jeder, der in der Kathedrale arbeitete, etwas von Quaiche in
seinem Blut. Sein Virus mutierte seit Generationen vor sich hin und
hatte sich mit

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