Offenbarung
stimmte das wahrscheinlich, aber Grelier kannte die
Ultras besser als mancher andere, und er bemerkte in letzter Zeit
immer wieder ein Flackern in ihrem Blick – eine existenzielle
Angst, die nichts mit der Höhe ihrer Gewinnspannen zu tun hatte.
Vermutlich hatten auch sie etwas entdeckt, hatten vielleicht einen
kurzen Blick auf die Phantome erhascht, die am Rand des von Menschen
besiedelten Raums lauerten.
Jahrelang hatten sie solche Geschichten als Abenteuermärchen
abgetan, doch seit die Nachrichten aus den Kernkolonien versiegten,
waren sie unsicher geworden.
Es gab jetzt ständig Ultras auf Hela. Die Handelsabkommen
verlangten, dass sie mit ihren Lichtschiffen ausreichend Abstand vom
Planeten Haldora und seinem bewohnten Mond hielten. Also sammelten
sie sich am Rand des Systems in einem parkenden Schwarm und schickten
nur kleine Shuttles oder Landefähren nach Hela. Diese Schiffchen
wurden von Kirchenvertretern kontrolliert, um zu verhindern, dass sie
Aufzeichnungsgeräte oder Scanner mitführten, die auf
Haldora gerichtet waren. Die Kontrollen waren an sich Formsache, man
hätte sie leicht umgehen können, aber die Ultras waren
überraschend gefügig und spielten bereitwillig mit. Sie
waren auf gute Geschäftsbeziehungen angewiesen.
Quaiche schloss gerade die Verhandlungen mit einem Ultra ab, als
Grelier das Turmzimmer betrat. »Ich danke Ihnen für Ihre
Geduld, Captain«, sagte er. Seine Stimme schwebte wie grauer
Rauch über dem Krankenstuhl mit dem Lebenserhaltungssystem.
»Ich bedauere, dass wir uns nicht einigen konnten«, gab
der Ultra zurück, »aber die Sicherheit meines Schiffs hat
für mich obersten Vorrang, das müssen Sie verstehen. Wir
alle wissen um das Schicksal der Gnostische
Himmelfahrt.«
Quaiche spreizte in einer verständnisvollen Geste die
knochigen Finger. »Schreckliche Geschichte. Ich habe nur mit
viel Glück überlebt.«
»So wurde es uns berichtet.«
Der Stuhl drehte sich. Quaiche wandte sich an Grelier.
»Generalmedikus… darf ich Ihnen Captain Basquiat vom
Lichtschiff Windsbraut vorstellen?«
Grelier nickte dem neuem Gast höflich zu. Er kannte extremere
Ultras, aber für einen Standardmenschen war der Mann doch eine
befremdliche Erscheinung. Er selbst war so dürr und farblos wie
ein vertrocknetes, sonnengebleichtes Insekt, aber sein
Stützskelett war leuchtend rot und mit silbernen Lilien
verziert. Begleitet wurde er von einem Riesenfalter, der vor seinem
Gesicht auf und ab flatterte und ihm Luft zufächelte.
»Sehr erfreut«, sagte Grelier und stellte den Koffer mit
den blutgefüllten Spritzen ab. »Ich hoffe, es hat Ihnen auf
Hela gefallen.«
»Wir sind mit den Ergebnissen unseres Besuchs zufrieden,
Generalmedikus. Zwar konnten wir Dekan Quaiche seinen letzten Wunsch
nicht erfüllen, doch davon abgesehen waren die Verhandlungen
für beide Seiten erfolgreich.«
»Was ist nun mit dem anderen Punkt, den wir angesprochen
hatten?«, fragte Quaiche.
»Die Todesfälle im Kälteschlaf? Ja, wir haben etwa
zwei Dutzend hirntote Passagiere. Früher hätte man die
Neuronalstruktur mit spezifischen Nanomaschinen wiederherstellen
können, aber heute ist das nicht mehr möglich.«
»Wir nehmen sie Ihnen gerne ab«, sagte Grelier.
»Damit bekämen sie freie Kälteschlafplätze
für lebende Fahrgäste.«
Der Ultra scheuchte den Falter weg, der sich auf seinen Lippen
niedergelassen hatte. »Haben Sie eine besondere Verwendung
für das Gemüse?«
»Der Generalmedikus interessiert sich für solche
Fälle«, erklärte Quaiche, bevor Grelier zu Wort kam.
»Er experimentiert gern mit neuronalen Reskriptionsverfahren,
nicht wahr, Grelier?« Er wandte sich ab, ohne eine Antwort
abzuwarten. »Nun denn, Captain, können wir Ihnen bei der
Rückkehr auf Ihr Schiff noch in irgendeiner Weise behilflich
sein?«
»Ich wüsste nicht wie, vielen Dank.«
Grelier schaute aus dem Ostfenster. Jenseits des Satteldachs der
Haupthalle befand sich eine Landeplattform. Dort parkte eine kleine
Fähre. Sie war gelbgrün wie eine Heuschrecke.
»Kommen Sie gut zum parkenden Schwarm zurück, Captain.
Wir rechnen mit der baldigen Überführung der
bedauernswerten Kälteschlafopfer. Und ich würde mich
freuen, bei anderer Gelegenheit wieder mit Ihnen ins Geschäft zu
kommen.«
Der Captain wandte sich ab, blieb aber noch einmal stehen. Er
hatte wohl erstmals den Ehernen Panzer bemerkt, dachte Grelier. Der
Panzer stand immer in der Ecke wie ein stummer Gast. Der Captain
starrte ihn an, während der Falter
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