Offenbarung
geworden. Er dehnt seine
Streifzüge aus und wird immer kühner. Er taucht in Teilen
des Schiffes auf, wo wir ihn nie zuvor gesehen haben. Wenn ich die
Berichte einbezöge, deren Glaubwürdigkeit ich nicht
für gesichert halte, würden die roten Sternchen bis zu den
Verwaltungsdecks hinaufreichen.«
»Aber daran glaubst du nicht?«
Antoinette strich sich die Strähne aus dem Gesicht.
»Vorerst noch nicht. Allerdings hätte ich bis vor einer
Woche die Hälfte der anderen Berichte ebenfalls nicht für
glaubwürdig gehalten. Jetzt fehlt mir nur noch ein guter Zeuge
oberhalb von Deck 600.«
»Und was dann?«
»Dann wäre alles möglich. Wir müssten uns
damit abfinden, dass der Captain aufgewacht ist.«
Für Blood stand das bereits fest. »Auf Khouri
können wir es wohl nicht zurückführen. Wenn der
Captain heute angefangen hätte, sein Verhalten zu ändern,
hätte ich das getan. Aber wenn dies hier stimmt, geht das schon
seit Wochen so. Und damals war sie noch nicht hier.«
»Aber die Schiffe waren bereits im System«, gab
Antoinette zu bedenken. »Die Schlacht tobte. Woher wissen wir,
ob der Captain das nicht gespürt hat? Er ist ein Schiff. Seine Sinne haben nach allen Richtungen eine Reichweite von
mehreren Lichtstunden, auch wenn er fest auf einem Planeten
steht.«
»Wir wissen nicht einmal, ob Khouri die Wahrheit sagt«,
meinte Blood.
Antoinette zeichnete mit ihrem roten Stift einen weiteren Stern an
die Stelle, die Palfrey beschrieben hatte. »Ich denke, davon
können wir jetzt ausgehen«, sagte sie.
»Meinetwegen. Noch etwas. Wenn der Captain aufgewacht
ist…«
Sie sah ihn abwartend an, aber er sprach nicht weiter.
»Ja?«
»Bedeutet das, dass er etwas von uns will?«
Antoinette nahm den Helm vom Tisch. Die Karte rollte sich
knatternd zusammen. »Ich schätze, einer von uns wird ihn
fragen müssen«, antwortete sie.
Zwei Stunden vor dem Morgengrauen sahen sie am Horizont etwas
funkeln.
»Da ist der Eisberg, Sir«, sagte Vasko. »Genau an
der gleichen Stelle wie auf der Karte.«
Urton starrte lange angestrengt in die Ferne. »Ich sehe gar
nichts«, sagte sie endlich.
»Ich schon«, rief Jaccottet vom anderen Boot
herüber. »Ich denke, Malinin hat Recht. Da ist etwas.«
Er griff nach einem Fernglas und hielt es sich an die Augen. Obwohl
das Boot heftig schwankte, blieb der breite Linsenschutz fest auf das
Ziel gerichtet.
»Was sehen Sie?«, fragte Clavain.
»Einen Eishügel. Mehr kann ich auf diese Entfernung
nicht erkennen. Von einem Schiff immer noch keine Spur.«
»Gut gemacht«, sagte Clavain zu Vasko. »Sollen wir
Sie von jetzt an Falkenauge nennen?«
Auf Scorpios Befehl hin fuhren die Boote nur noch mit halber Kraft
und schwenkten allmählich nach Backbord ab, um das Objekt
zunächst aus großer Entfernung zu umkreisen und von allen
Seiten zu betrachten. Langsam wurde es heller.
Die Boote näherten sich dem Eisberg in immer engeren
Spiralen. Nach einer Stunde war er zu einem runden Hügelchen
angewachsen. Vasko fand ihn sehr sonderbar. Er schwamm auf dem Meer
und war irgendwie auch ein Teil davon, denn er war ganz von einem
weißen Saum umgeben, der etwa doppelt so breit war wie der
Kern. Vasko fühlte sich an eine der Inseln erinnert, die aus
einem einzigen Vulkan bestanden und deren Strände nach allen
Seiten zum Meer hin sanft abfielen. Er hatte einige Eisberge gesehen,
die auf die Breite von Lager eins abgetrieben waren, und dieses Ding
hatte damit keinerlei Ähnlichkeit.
Der Kreis wurde enger. Hin und wieder hörte Vasko, wie
Scorpio über seinen Armbandkommunikator mit Blood sprach. Im
Westen war der Himmel jetzt violett wie ein Bluterguss, nur eine Hand
voll heller Sterne waren zu sehen. Im Osten zeigte sich ein mattrosa
Streifen. Beide Farben spiegelten sich vor dem jeweils anderen
Hintergrund leicht verschoben in der hellen Oberfläche des
Eisbergs.
»Das war die zweite Runde«, meldete Urton.
»Weitermachen«, befahl Clavain. »Wir verringern die
Entfernung um die Hälfte und halbieren gleichzeitig unsere
Geschwindigkeit. Es könnte sein, dass sie gerade nicht auf der
Hut ist, und ich möchte sie nicht erschrecken.«
»Mit diesem Eisberg stimmt irgendwas nicht, Sir«, sagte
Vasko.
»Wir werden sehen.« Clavain wandte sich an Khouri.
»Spüren Sie schon etwas?«
»Skade?«, fragte sie.
»Ich dachte eher an Ihre Tochter. Ich hielt es für
möglich, dass die Implantate bereits aus dieser Entfernung
Verbindung aufnehmen können.«
»Wir sind noch sehr weit
Weitere Kostenlose Bücher