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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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verstehen.
    Remontoire ging davon aus, dass dies eine solche Gelegenheit
gewesen war. Obwohl man annehmen musste, dass Skade und Aura tot
waren: Clavain hätte Khouri begleitet, auch wenn sie bei diesem
Rettungsversuch höchstwahrscheinlich beide ums Leben gekommen
wären.
    Er hatte im Lauf der Jahre Clavains Leben und vor allem solche
kritischen Punkte immer wieder einmal genauer unter die Lupe
genommen, um herauszufinden, ob diese irrationalen Anwandlungen
seinem alten Freund mehr genützt oder geschadet hatten. Auch
jetzt, während er auf das Synthetikerschiff wartete, ließ
er Clavains Entscheidungen noch einmal an sich vorüberziehen.
Wie immer kam er zu keiner zufrieden stellenden Lösung. Aber er
hatte sich ja bereits entschieden, sich hier an Clavains Regeln und
nicht an die starren Vorgaben der taktischen Analyse zu halten.
    In seinem Gehirn schlug eine Glocke an. Die fünfzehn Minuten
waren um.
    Es hatte keinen Sinn gehabt, sich mit dem Synthetikerschiff zu
beschäftigen, bevor es da war: Ein schneller Überblick
über die verfügbaren Möglichkeiten hatte ihm gezeigt,
dass er mit einer Abweichung von seinem Kurs nichts erreicht
hätte.
    Das zweite Schiff schob sich durch die konzentrisch angeordneten
Sensorschichten wie ein Fisch, der scharf abgegrenzte
Meeresströmungen durchschwamm. Vor Remontoires innerem Auge
entwickelte es sich von einer vagen Andeutung in den Sensordaten zu
einem greifbaren Objekt.
    Es war eine Korvette der Moray-Klasse wie Skades Schiff, von
ebenso Licht verschlingender Schwärze wie Remontoires Shuttle,
aber nicht in Form eines Dreizacks, sondern eines Angelhakens. Das
Schiff war so stark getarnt, dass die spektrale Signatur seiner
Triebwerke selbst aus der Nähe kaum zu erkennen war. Im
Durchschnitt strahlte der Rumpf eine Kälte von 2,7 Kelvin ab.
Aus der Nähe zeigte sich im Mikrowellenbild ein
unregelmäßiges Mosaik aus heißen und kalten Flecken.
Remontoire peilte die kryo-arithmetischen Aggregate an und stellte
fest, welche davon mit geringerem Wirkungsgrad arbeiteten als ihre
Nachbarn und welche Besorgnis erregend kalt liefen, weil der Zyklus
der Algorithmen im Begriff war, außer Kontrolle zu geraten.
Gelegentlich zeigte ein blauer Funke an, dass einer der Knoten unter
1 Kelvin fiel, doch jedes Mal wurde der Ausreißer wieder in die
Marschformation zurückgeholt.
    Schiffe konnten willkürlich kalt gemacht werden und dadurch
mit der kosmischen Hintergrundstrahlung verschmelzen. Aber diese
Hintergrundkarte war nicht gleichförmig: Durch die kosmische
Inflation im Anfangszustand des Universums hatten sich winzige
Flecken im expandierenden Universum vergrößert, und so
waren, je nachdem, wo man hinsah, leichte Abwandlungen im Hintergrund
entstanden. Es handelte sich dabei um Abweichungen von der vollen
Anisotropie: Runzeln im Antlitz der Schöpfung. Wenn ein Schiff
seine Rumpftemperatur diesen Schwankungen nicht anpassen konnte, war
auch die Anpassung an das Hintergrundspektrum nicht vollständig.
In gewissen Situationen war die Suche nach solch winzigen Fehlern die
einzige Möglichkeit, feindliche Schiffe überhaupt
aufzuspüren.
    Aber jetzt wollte sich das Synthetikerschiff mit der Kälte
seines Rumpfs nur vor den Unterdrückerstreitkräften in der
näheren Umgebung tarnen. Es unternahm keine größeren
Anstrengungen, um sich vor Remontoire zu verbergen, sondern versuchte
sogar, mit ihm zu sprechen.
    Synthetiker hatten eine Eigenschaft, die selbst Menschen mit nicht
aufgerüsteten Gehirnen nur bewundern konnten: Sie gaben niemals
auf. Achtundzwanzigtausend unbeantwortete Verhandlungsangebote
hielten sie nicht davon ab, das achtundzwanzigtausendunderste
abzuschicken.
    Remontoire ließ zu, dass der schmale Strahl des
Nachrichtenlasers über seinen Rumpf strich, bis er einen der
wenigen Sensorpunkte gefunden hatte.
    Dann prüfte er, geschützt durch zahlreiche mentale
Firewallschichten, die Übertragung und entschloss sich erst nach
vielen Sekunden, sie in die innersten Bereiche seines Bewusstseins
einzulassen. Sie war nicht in einem der höheren
Synthetikerprotokolle, sondern in einer natürlichen Sprache
abgefasst. Eine subtile Beleidigung, dachte er: Für Skades
Verbündete war dieses Format gleichbedeutend mit dem Lallen
eines Säuglings.
    [Remontoire? Du bist es doch? Warum willst du nicht mit uns
sprechen?]
    Er verfasste einen Gedanken im gleichen Format. Woher wollt ihr
so genau wissen, dass ich Remontoire bin?
    [Du warst immer schon ein Freund verwegener Gesten, auch

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