Offenbarung
nur
ungenügend zu beschreiben waren. Aber Langeweile war nicht
darunter, und er rechnete nicht damit, dass sie in Zukunft in seiner
mentalen Verfassung einen breiteren Raum einnehmen würde,
bestimmt nicht, solange die Wölfe noch in der Nähe waren.
Und an Schlaf war vorerst wohl auch nicht zu denken.
Hin und wieder verriet ein Teil von ihm – die Augenlider oder
sogar der ganze Kopf – mit kaum merklichem Zucken, wie weit er
von Langeweile tatsächlich entfernt war. Eiskalt und klar wie
ein Gebirgsbach wogten unablässig taktische Informationen durch
sein Bewusstsein. Er hatte alle geistigen Prozesse so stark
beschleunigt, dass sich die Aktivität gerade noch innerhalb der
Kühlparameter seiner veralteten mentalen Synthetikerarchitektur
hielt. Skade hätte ihn ausgelacht, wenn sie gesehen hätte,
wie sehr ihm eine Geschwindigkeit der Gedankenverarbeitung, die
– für sie – kaum der Rede wert war, zu schaffen
machte. Skade konnte nicht nur schneller denken, sondern zugleich ihr
Bewusstsein in ein halbes Dutzend parallel laufender Ströme
aufteilen. Und dabei konnte sie noch umhergehen und Sport treiben,
während Remontoire wie in Trance still sitzen musste, um Geist
und Körper nicht noch mehr Stress auszusetzen. Die beiden
stammten wahrhaftig aus verschiedenen Jahrhunderten.
Er hatte in letzter Zeit viel über Skade nachgedacht, doch
jetzt war sie nicht seine erste Sorge. Er hielt es für sehr
wahrscheinlich, dass sie tot war. Schon bevor er Khouri gestattet
hatte, der abgestürzten Korvette in die Planetenatmosphäre
zu folgen, war dieser Verdacht sehr stark gewesen, aber er hatte es
vermieden, sich allzu ausgiebig damit zu beschäftigen. Denn wenn
Skade tot war, dann lebte auch Aura nicht mehr.
Etwas veränderte sich: Durch die große schwarze
Kriegsmaschinerie, in der er schwebte, ging ein Ruck, ein Schwirren.
Stundenlang hatten die gegnerischen Parteien – die
Standardmenschen, Skades Synthetiker und die Unterdrücker –
den Planeten in so fester Formation umkreist, als hätten sie
endlich eine mathematische Konfiguration von maximaler
Stabilität gefunden. Die Synthetiker waren ernüchtert:
Wochenlang hatten sie gegenüber Remontoires lockerem
Bündnis aus Menschen, Schweinen und Resurgam-Flüchtlingen
an Boden gewonnen. Sie hatten Aura entführt und durch sie viele
der Geheimnisse erfahren, die es Remontoire und seinen Leuten
ermöglicht hatten, im Delta-Pavonis-System an den
Unterdrückern vorbeizukommen. Später hatte ihnen Remontoire
im Gegenzug für Khouris Freiheit noch mehr verraten. Doch seit
Skades Verschwinden waren sie weitaus verwirrter und
orientierungsloser, als es bei einer vergleichbaren Gruppierung aus
Remontoires Generation der Fall gewesen wäre. Skade war zu stark
gewesen und hatte sie allzu erfolgreich manipuliert. Im Krieg gegen
die Demarchisten (der Remontoire im Rückblick wie ein harmloser
Kinderstreit vorkam) war die radikal demokratische Struktur der
Synthetikergesellschaft durch die Schaffung von unterschiedlich
geheimen Gruppen – des Inneren Konzils, des Allerheiligsten und
vielleicht sogar des nur gerüchteweise bekannten Nachtkonzils
– zunehmend untergraben worden. Skade war das logische Ergebnis
dieses Zersplitterungsprozesses: sehr qualifiziert, sehr
erfinderisch, sehr gebildet und ausnehmend geschickt darin, die
Fäden zu ziehen. Unter dem Druck des Krieges gegen die
Demarchisten hatte sich sein Volk – ganz unbemerkt – seinen
eigenen Tyrannen gezüchtet.
Und Skade war ein ausgezeichneter Tyrann gewesen. Sie wollte nur
das Beste für ihr Volk und hätte dafür auch in Kauf
genommen, dass der Rest der Menschheit ausgerottet wurde. Mit ihrer
Zielstrebigkeit, ihrer Bereitschaft, die Grenzen von Körper und
Geist zu überschreiten, hatte sie sogar Remontoire mitgerissen.
Es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte sich auf ihre
anstatt auf Clavains Seite geschlagen. Kein Wunder, dass die
Synthetiker in ihrem Lager nicht mehr fähig waren,
selbstständig zu denken. Solange sie Skade hörig waren,
hatten sie das niemals nötig gehabt.
Doch jetzt war Skade fort, und ihr Heer aus schnellen, genialen
Marionetten wusste nicht, wie es weitergehen sollte.
In den letzten zehn Stunden hatten Remontoires Streitkräfte
durch kurze Lücken in der Kommunikationsblockade, von der die
gesamte Kampfzone betroffen war, von den verbliebenen
Synthetikerelementen achtundzwanzigtausend Einladungen zu
Verhandlungen abgefangen. Auch nach so viel Treuebruch und
Bündnisverrat, nach so
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