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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Wölfe
wären immer noch unterwegs, hätten aber Yellowstone noch
nicht erreicht. Noch wäre Zeit, den Planeten zu warnen –
Zeit, etwas zu bewirken. Wenn dem System noch ein Monat bliebe,
könnten Millionen gerettet werden. Natürlich lägen die
Wölfe nach wie vor auf der Lauer, aber jede
Lebensverlängerung war besser als die sofortige
Auslöschung. Daran musste er glauben, sonst wäre alles
sinnlos.
    Aber er wachte einfach nicht auf. Er war in einen Albtraum
hineingeraten, der so hartnäckig war wie die Realität.
    Er würde sich daran gewöhnen müssen.
    An Bord hatte sich vieles verändert, während er
geschlafen hatte. Die Zeitdilatation hatte die dreiundzwanzig Jahre
dauernde Reise zwischen Ararat und dem Yellowstone-System auf sechs
Jahre Schiffszeit komprimiert. Ein großer Teil der Besatzung
war über weite Strecken wach geblieben. Einige verbrachten die
ganze Zeit im warmen Zustand, sie wagten sich nicht in die
Kälteschlaftanks, solange die Zukunft so unsicher war. Man hatte
die neuen technischen Errungenschaften – nicht nur die
hypometrischen Geschütze, sondern auch die anderen Geschenke,
die Remontoire zurückgelassen hatte – behutsam zum Leben
erweckt. Als Scorpio von seinen Schiffsgenossen nach draußen in
die Beobachtungskapsel auf dem Rumpf geführt wurde, durchquerte
er eine Landschaft, die dunkler und kälter war als das Weltall.
Eingebettet in die äußere Rumpfschicht, ließen
kryo-arithmetische Aggregate durch einen Trick der Quantenrechnung
wie von Zauberhand Wärme verschwinden. Ein Techniker hatte ihm
zu erklären versucht, wie diese Aggregate funktionierten, aber
irgendwo auf halbem Wege war Scorpio an einem kritischen Punkt
hängen geblieben. In Chasm City hatte er einmal einen Buchhalter
angestellt, um seine Einkünfte der Kontrolle der
Finanzbehörden des Baldachins zu entziehen. Als ihm
dieser Spezialist das Prinzip erklärte, auf dem sein
patentiertes Geldwäscheverfahren beruhte, war es ihm
ähnlich ergangen wie jetzt: Ein Detail hatte ihm Kopfschmerzen
bereitet. Er war einfach unfähig gewesen, es zu begreifen.
Ebenso wenig konnte er das Paradoxon der Quantenrechnung erfassen,
das es den Aggregaten erlaubte, den Thermalregulatoren des Universums
die Wärme vor der Nase wegzuschnappen.
    Hauptsache, sie funktionierten und gerieten nicht außer
Kontrolle wie damals auf Skades Schiff: Mehr wollte er gar nicht
wissen.
    Noch etwas war neu: Das Schiff stand unter Schub, aber die
Synthetikertriebwerke gaben nicht den kleinsten Lichtschein ab. Das
Schiff glitt auf einem schwarzen Kielwasserstrom durch den Raum.
    »Sie haben die Triebwerke frisiert«, erklärte
Vasko. »Die Reaktionsprozesse im Innern wurden irgendwie
verändert. Der Ausstoß – das, was uns den Schub gibt
– interagiert nicht sehr lange mit diesem Universum. Nur ein
paar Einheiten Planck-Zeit – lange genug, um einen Impuls zu
geben –, dann zerfällt er zu etwas, das sich nicht
feststellen lässt. Vielleicht weil es gar nicht wirklich da
ist.«
    »Sie haben einiges an Physik gelernt, während ich
schlief.«
    »Ich durfte doch den Anschluss nicht verlieren. Aber ich will
nicht behaupten, das alles zu verstehen.«
    »Was zählt, ist, dass die Wölfe uns damit nicht
orten können«, sagte Khouri. »Oder wenigstens nicht so
leicht. Wenn sie uns fest angepeilt hätten, könnten sie
vielleicht etwas erschnüffeln. Aber dazu müssten sie sehr
dicht dran sein.«
    »Und die Neutrinos aus den Reaktionskernen?«, fragte
Scorpio.
    »Die sehen wir nicht mehr. Wir glauben, dass sie in einen
bislang unbekannten Flavourzustand überführt
wurden.«
    »Und nun hofft ihr, dass ihn auch die Wölfe nicht
entdecken können?«
    »Das ließe sich herausfinden, Scorp, man bräuchte
ihnen nur zu nahe zu kommen.«
    Sie meinte das Shuttle. Inzwischen wussten sie etwas mehr
darüber: Es war ein stumpfnasiges interplanetares Raumschiff,
nicht für Transatmosphäreflüge geeignet, ein Typ, den
es im Raum um Yellowstone vor dem Eintreffen der Wölfe sicher in
zehntausendfacher Ausfertigung gegeben hatte. Obwohl es für ein
Shuttle ziemlich groß war, hatte es noch in einem Lichtschiff
Platz gefunden. Man wusste nicht, wie viel Zeit Besatzung und
Passagieren zum Einsteigen geblieben war, aber ein solches Schiff
hätte leicht fünf- bis sechstausend Personen aufnehmen
können; in gefrorenem oder betäubtem Zustand sogar noch
mehr.
    »Ich werde es nicht einfach im Stich lassen«, beharrte
Scorpio.
    »Es könnten Wölfe sein.«
    »Sieht mir nicht

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