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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Erinnerungen, vergrub sie
tief in ihrem Unterbewusstsein. Sie ist ja fast eine Synthetikerin.
Sie kann ihr Gehirn umräumen wie andere Leute ihre Wohnung. Und
sobald sie einsah, dass es nötig war, fiel es ihr nicht einmal
so schwer.«
    »Wozu?«, wiederholte Scorpio.
    »Damit sie sich einfügen konnte, ohne ständig
schauspielern zu müssen. Wenn sie selbst glaubte, auf Hela
geboren zu sein, konnte sie auch die Menschen davon überzeugen,
denen sie begegnete.«
    »Das ist ja grauenvoll.«
    »Glaubst du, für mich war es einfach, Scorp? Ich bin
ihre Mutter. Ich war bei ihr, als sie beschloss, mich zu vergessen.
Ich betrat den Raum, in dem sie war, und sie nahm mich kaum
wahr.«
     
    Nach und nach erfuhr er auch den Rest. Alles kam ihm unwirklich
vor, aber gegen dieses Gefühl kämpfte er an. Mehr als
einmal untersuchte er seine Umgebung, um sich zu vergewissern, dass
er nicht in einem Reanimations-Albtraum befangen war. Er kam sich
töricht vor, weil er alle diese Manipulationen einfach
verschlafen hatte. Aber die Geschichte war wasserdicht, zumindest,
soweit man sie ihm erzählt hatte. Und sie war von einer geradezu
brutalen inneren Logik. Die Sehnsucht nach Unendlichkeit hatte
Jahrzehnte gebraucht, um Hela zu erreichen: Allein die Reise von
Ararat über das Yellowstone-System hierher hatte mehr als
vierzig Jahre gedauert. Aber Auras Mission hatte lange vorher
begonnen, mit ihrer Zeugung in der Matrix des Hades-Neutronensterns.
Angesichts der langen Zeit, die seither vergangen war, bedeuteten
neun weitere Jahre nicht mehr allzu viel. Ja, von dieser Warte aus
betrachtet, ergab alles einen grausamen Sinn. Man durfte das
Universum nur nicht mit den Augen eines Schweins sehen, das kurz vor
dem Ende seines Lebens stand.
    »In Wirklichkeit hat sie nichts vergessen«,
erklärte Vasko. »Es war nur alles vergraben. Ihr
Unterbewusstsein glich einer Zwiebel, die austreiben musste, wenn sie
älter wurde. Wir wussten, dass sie früher oder später
nach diesen geheimen Erinnerungen handeln würde, ohne selbst
genau zu wissen, warum sie das tat.«
    »Und?«, fragte Scorpio.
    »Sie schickte uns ein Signal, eine Mitteilung, dass sie auf
dem Weg zu Quaiche war. Das war für uns das Stichwort, um
Kontakt zu den Adventisten aufzunehmen. Bis wir zu ihm vordrangen,
hatte Aura sich bereits in sein Vertrauen eingeschlichen.«
    Scorpio verschränkte die Arme vor der Brust. Das Leder seines
Uniformrocks knarrte. »Sie ist einfach so in sein Leben
getreten?«
    »Sie ist seine Beraterin«, sagte Vasko. »Nimmt an
seinen Verhandlungen mit den Ultras teil. Wir wissen nicht genau, was
sie da tut, aber wir können es erraten. Aura besaß besitzt
– eine besondere Gabe, die sich schon zeigte, als sie noch ein
Baby war.«
    »Sie liest aus unseren Gesichtern mehr, als uns selbst
bewusst ist«, sagte Khouri. »Sie weiß, wann wir
lügen, und ob wir traurig sind, wenn wir behaupten,
glücklich zu sein. Diese Eigenschaft hat nichts mit ihren
Implantaten zu tun und wurde wohl auch nicht mit den Erinnerungen an
sich selbst unterdrückt.«
    »Damit ist sie wahrscheinlich aufgefallen«, sagte Vasko.
»Und hat sich für Quaiche unentbehrlich gemacht. Aber es
hat die Sache nur beschleunigt. Früher oder später
hätte sie auf jeden Fall alle Hürden genommen und wäre
bei ihm gelandet. Das war schließlich ihre
Bestimmung.«
    »Haben Sie mit ihr gesprochen?«, fragte Scorpio.
    »Nein«, sagte Vasko. »Das war nicht möglich.
Quaiche durfte nicht ahnen, dass wir uns bereits kannten. Aber Khouri
hat die gleichen Implantate, und sie sind kompatibel.«
    »Ich konnte in ihre Erinnerungen eindringen«, sagte
Khouri, »sobald wir in einem Raum waren. Wir waren einander so
nahe, dass unsere Implantate direkt in Verbindung treten konnten,
ohne dass er Verdacht schöpfte.«
    »Du hast dich ihr zu erkennen gegeben?«, fragte
Scorpio.
    »Nein. Noch nicht«, sagte Khouri. »Sie ist zu
verletzlich. Es ist sicherer, wenn sie sich nicht an alles auf einmal
erinnert. So kann sie die Rolle weiterspielen, die Dekan Quaiche von
ihr erwartet. Wenn er sie verdächtigt, ein Ultra-Spitzel zu
sein, befindet sie sich ebenso in Gefahr wie wir.«
    »Hoffen wir, dass sich niemand eingehender mit ihr
beschäftigt«, sagte Scorpio. »Wie lange müssen
wir warten, bis ihre Erinnerungen von selbst
zurückkehren?«
    »Eine Frage von Tagen«, sagte Khouri. »Nicht mehr.
Vielleicht weniger. Die ersten Risse müssten bereits sichtbar
werden.«
    »Diese Verhandlungen mit dem Dekan«, sagte

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