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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Korridore und Gänge, die von den Menschen nie
vollends zurückgewonnen worden waren. Es wimmelte von Ratten,
alles war verseucht mit Schiffsschleim und anderen giftigen
Substanzen, und bis auf gelegentliche matt flackernde Lichtquellen
war es dunkel wie in einem Grab. Beim Angriff der Adventisten hatte
Scorpio noch genau gewusst, wo er sich befand. Doch nun folgte er dem
Captain widerstandslos in Bereiche des Schiffes, die ihm völlig
fremd waren. Je weiter sie vordrangen, je mehr dunkle Luken und
geheime Türen der Captain passierte, desto weniger war zu
erkennen, dass man sich auf einem Schiff befand: Die Notstromanlagen,
die provisorischen Hydrauliksysteme, die Richtungspfeile in
Neonfarben wurden seltener und verschwanden schließlich ganz.
Hier gab es nur noch Anatomie. Diese Regionen waren nur dem Captain
bekannt: Er allein wandelte hier durch die Korridore. Das war sein
Fleisch und Blut, dachte Scorpio: Was er damit anfing, entschied er
allein.
    Das Schwein machte sich nichts vor. Natürlich war die Gestalt
an seiner Seite nicht wirklich der Captain. Der Raumanzug diente nur
als Fokussierungshilfe; ansonsten war der Captain wie eh und je in
jeder Faser der Architektur allgegenwärtig. Scorpio war froh,
diesen Begleiter zu haben, auch wenn er lieber mit einem Gesicht
gesprochen hätte als mit dem leeren Anzug. Der Anführer der
Adventisten hatte ihn schwer verletzt, und der Schock musste
früher oder später einsetzen. Wie stark er sein würde,
ließ sich noch nicht ermessen. Vor zwanzig Jahren hätte er
solche Wunden mit einem Achselzucken weggesteckt. Jetzt würde er
sie nicht mehr so leicht abschütteln. Doch solange er in
irgendeiner Form Gesellschaft hatte, konnte er den Augenblick der
Abrechnung hinausschieben. Nur ein paar Stunden, dachte er, nur so lange, bis wir diesen Schlamassel hinter uns haben.
    Nur diese paar Stunden – mehr brauchte er nicht, und mehr
wollte er auch nicht.
    »Wir müssen miteinander reden, Scorpio. Du und ich.
Bevor es zu spät ist.«
    »Captain?«
    »Ich muss etwas erledigen, bevor es nicht mehr möglich
ist. Wir sind hierher gekommen, weil Aura es so wollte, und weil wir
hofften, ein wirksames Mittel gegen die Unterdrücker zu finden.
Der Schlüssel waren Quaiche und die Flitzer, deshalb wurde Aura
vor neun Jahren in die Hela-Gesellschaft eingeschleust. Sie sollte
sich durch die Hintertür in die Kathedralen schleichen und
Informationen sammeln, ohne dass jemand ahnte, dass sie zu uns
gehörte. Das war ein guter Plan, Scorp. Damals war es der Beste,
den wir hatten. Aber wir dürfen Haldora nicht
vernachlässigen.«
    »Das tut doch auch niemand«, antwortete Scorpio.
»Aura glaubt, sie hätte über diesen alten Raumanzug
bereits Kontakt zu den Schatten aufgenommen. Genügt das denn
nicht fürs Erste?«
    »Es hätte vielleicht genügt, wenn uns die
Adventisten nicht verraten hätten. Aber wir haben keine
Kontrolle über diesen Anzug. Den hat nur Quaiche, und Quaiche
können wir nicht mehr vertrauen. Es ist Zeit, den Einsatz zu
erhöhen, Scorp. Wir können nicht alles auf diese eine
Verhandlungslinie setzen.«
    »Dann schießen wir eben die Instrumentenpakete ab, wie
wir es immer geplant hatten.«
    »Die Pakete waren immer nur als Wegbereiter gedacht.
Wahrscheinlich erfahren wir durch sie nicht mehr, als wir bereits von
Aura wissen. Früher oder später müssten wir ohnehin
die großen Geschütze auffahren.«
    Scorpio vergaß für einen Moment seine Schmerzen.
»Und was schlagen Sie vor?«
    »Wir müssen herausfinden, was sich im Innern von Haldora
verbirgt«, sagte der Captain. »Wir müssen hinter die
Maske schauen, aber wir können nicht einfach hier sitzen und auf
die nächste Auslöschung zu warten.«
    »Das Weltraumgeschütz.« Scorpio hatte die Absichten
seines Begleiters erraten. »Sie wollen es einsetzen, nicht
wahr?
    Sie wollen damit auf den Planeten schießen und sehen, was
passiert.«
    »Wie gesagt, es ist an der Zeit, die großen
Geschütze aufzufahren.«
    »Es ist das letzte, das wir haben. Vergeuden Sie es nicht,
Captain.«
    Der Anzug wandte ihm die leere Helmöffnung zu. »Ich
werde mein Bestes tun«, klang es aus dem Gitter.
     
    Endlich wurde der Anzug langsamer. Das Schwein blieb stehen und
suchte hinter seinem breiten Rücken Deckung.
    »Da vorne ist etwas, Scorp.«
    Scorpio spähte ins Dunkel. »Ich sehe nichts.«
    »Ich spüre es, aber ich brauche den Anzug, um es mir
genauer anzusehen. Ich habe hier keine Kameras.«
    Hinter einer leichten Biegung führten

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