Offenbarung
zu
reagieren.
Die Soldaten waren mit leistungsfähigen Flammenwerfern und
Energiewaffen, mit schweren Projektilgewehren mit hoher
Durchschlagskraft und Bohrgeräten mit Hyperdiamantspitzen
ausgerüstet. Sie hatten hydraulische Wände, um Korridore
und Schotts gegen einen Zusammenbruch oder unerwünschte
Schließung zu sichern, und Epoxidsprays, die unter Druck
aushärteten und Bauteile fixieren konnten, bevor sie sich
veränderten. Sie hatten Sprengstoffe und Nervengifte. Und sie
hatten verbotene Nanotechnik.
Ihr Auftrag war immer noch der gleiche: Sie sollten das Schiff mit
einem Minimum an Opfern einnehmen. Wie das genau zu verstehen war,
lag freilich im Ermessen der kommandierenden Offiziere. Und
Schäden am Schiff selbst wären zwar bedauerlich, aber kein
so ernsthaftes Problem wie beim ersten Mal, als sich die Sehnsucht
nach Unendlichkeit noch im Orbit befand. Der Dekan hatte den
Ultras versprochen, ihnen ihr Schiff zurückzugeben, aber nach
allem, was seit dem letzten Eroberungsversuch geschehen war, konnte
man kaum noch davon ausgehen, dass die Unendlichkeit Hela
jemals wieder verlassen würde. Vielleicht war sie ja gar kein
Schiff mehr.
Die Gardisten kamen rasch voran. Im Innern des Schiffes
schwärmten sie aus und neutralisierten mit maximalem Einsatz
jeden Widerstand. Die Möglichkeit der Kapitulation bestand zwar,
aber die Ultras machten davon keinen Gebrauch.
Nun gut. Wenn unter einem Minimum an Opfern der Tod aller noch
verbliebenen Besatzungsmitglieder zu verstehen war, dann war daran
wohl nichts zu ändern.
Sie bohrten, hackten und brannten sich den Weg frei. Ringsum
ächzte das Schiff. Es wehrte sich und forderte seinerseits
einige Opfer unter den Angreifern, aber seine Anstrengungen wurden
zusehends schwächer und diffuser. Als die Kathedralengarde
meldete, die Sehnsucht nach Unendlichkeit weitgehend unter
ihre Kontrolle gebracht zu haben, fiel ihr auf, dass sie im Sterben
lag. Das spielte keine Rolle. Der Dekan hatte sich ohnehin nur
für die Triebwerke interessiert. Alles Übrige war
unnützer Ballast.
Er wusste, dass er im Sterben lag. Jedes Ding fand irgendwo seine
letzte Ruhestätte, und nach so vielen Jahrhunderten, so vielen
Lichtjahren, so vielen Veränderungen war nun auch er am Ende
seines Daseins angelangt. Vermutlich hatte er das bereits gewusst,
bevor er die Haltebucht sah; lange bevor er sich selbst
ausgeschlachtet hatte, um die Schläfer von Ararat und
Yellowstone zu retten. Vielleicht hatte er es schon geahnt, als er,
aus dem interstellaren Raum kommend, vor neun Jahren vor dieser
Pilgerstätte mit ihren wundersamen Erscheinungen abgebremst
hatte. Seit er in Ararats Ozean schlecht gelaunt aus seinem langen
Schlaf erwacht war und sich unter dem Druck der Neuankömmlinge
zu der dringend notwendigen Evakuierung bequemt hatte, spürte er
eine tiefe Müdigkeit. Wie Clavain, der allein auf seiner Insel
saß und grübelte, hatte er eigentlich nur Ruhe, Einsamkeit
und Erlösung von seiner eigenen schweren Sündenlast
gesucht. Wenn nichts geschehen wäre, hätte er nur allzu
gerne weiter in dieser Bucht gelegen und bis in alle Ewigkeit vor
sich hingerostet, um schließlich Teil der Geografie zu werden.
Er hätte aufgehört, in sich selbst herumzuwandeln und sich
schließlich in einem letzten Traum vom Fliegen verloren.
Jetzt spürte er die Gardisten in seinem Körper. Anfangs
stach ihn ihr gewaltsames Eindringen nur wie viele kleine Nadeln,
doch mit der Zeit wurde es unangenehmer – wie heftiges
Sodbrennen, das sich zu einem unerträglichen Stechen steigerte.
Er konnte nicht schätzen, wie viele es waren, ob hundert oder
gar tausend. Er wusste nicht, welche Waffen sie verwendeten oder wie
viel Schaden sie anrichteten. Sie versengten ihm die Nervenenden und
blendeten ihn. Wo sie gewesen waren, blieben taube Stellen
zurück. Diese Schmerzlosigkeit – das Fehlen jeglicher
Empfindung – war das schlimmste. Die Eindringlinge entrissen die
toten Schiffspartien dem lebenden Gewebe, das sie vorübergehend
durchdrungen hatte. Was er geworden war, war nur ein schöner
Traum gewesen. Jetzt ging er zu Ende.
Auch wenn er nicht mehr wäre, wenn sie ihn vollends
ausgebrannt hätten, wäre alles, worauf es ihnen ankam, noch
vorhanden. Selbst wenn die Triebwerke aussetzten, weil sein
Bewusstsein sie nicht mehr kontrollierte, würden die Techniker
in der Haltebucht einen Weg finden, um sie neu zu zünden. Sie
würden seinen Leichnam, ein zuckendes Etwas, eine Parodie auf
das Leben, für sich
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