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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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auch
jetzt noch gefährlich werden kann. Fühlen Sie sich wirklich
ganz sicher, Generalmedikus?«
    »Man wird nicht wagen, etwas zu unternehmen«, gab
Quaiche zurück. »Das Risiko, Sie zu verletzen, wäre zu
groß. Deshalb haben wir Sie ja mitgenommen.«
    Der Dekan trug im Gegensatz zu Grelier und Rachmika keinen
Druckanzug. Er lag immer noch in seinem Krankenstuhl, doch jetzt
spannte sich eine durchsichtige Blase darüber und garantierte,
dass die lebenserhaltenden Systeme weiterarbeiten konnten. Seine
Stimme hörten sie durch ihre Helmlautsprecher. Sie knisterte
immer noch wie Papier.
    »Mein Schiff kann uns nicht alle fassen«, sagte Grelier.
»Und ich denke gar nicht daran, die Fähre der Ultras zu
besteigen. Wer weiß, sie könnten versteckte Fallen
eingebaut haben.«
    »Keine Sorge«, sagte Quaiche. »Ich habe auch daran
gedacht.«
    Licht fiel auf ihre Gesichter. Aura sah sich um, obwohl Grelier
sie nicht losließ. Am Rand der Plattform stand ein drittes
Schiff, das sie bisher noch nicht bemerkt hatte. Es war lang und
schmal wie ein Pfeil, und balancierte senkrecht auf einem einzigen
Schubstrahl. Wo kam es plötzlich her? Rachmika war ganz sicher,
dass sie bemerkt hätte, wenn von irgendwoher ein weiteres Schiff
auf der Kathedrale gelandet wäre.
    »Es war immer hier«, sagte Quaiche, als hätte er
ihre Gedanken gelesen. »Es war nur in die
Kathedralenkonstruktion integriert. Ich wusste, dass ich es eines
Tages brauchen würde.« Rachmika sah erst jetzt, dass er
eine tragbare Steuerkonsole auf dem Schoß hielt. Seine
knochigen Finger glitten darüber wie die Hände eines
Spiritualisten über ein Ouija-Brett.
    »Es gehört Ihnen?«, fragte Rachmika.
    »Es ist die Dominatrix«, erklärte Grelier,
als würde das alles erklären. »Das Shuttle, mit dem er
einst zum ersten Mal nach Hela kam. Und das ihm zu Hilfe eilte, als
er seine Nase in Dinge steckte, die ihn nichts angingen, und dabei in
Schwierigkeiten geriet.«
    »Ein Schiff mit Geschichte«, versicherte Quaiche mit
einem Nicken. »Und nun lassen Sie uns an Bord gehen. Wir
können nicht ewig herumstehen und die Aussicht bewundern. Ich
habe Haken versprochen, in einer halben Stunde an der Haltebucht zu
sein. Ich will miterleben, wie sich die Garde zum Herrn des
Lichtschiffs erklärt.«
    »Sie werden die Unendlichkeit niemals einnehmen«,
warnte Rachmika.
    Auf einer Seite von Quaiches Shuttle, das genau parallel zum Rand
der Plattform stand, öffnete sich eine Tür. Quaiche
steuerte seinen Krankenstuhl darauf zu. Er hatte offensichtlich die
Absicht, sein Privatschiff als Erster zu besteigen. Rachmika wurde
unruhig: Wollte er etwa ohne sie abfliegen? Jetzt war vermutlich
alles möglich: Das Gerede über Sicherheiten, der Wunsch,
sie mitzunehmen – vielleicht war das alles gelogen? Es war, wie
er im Turmzimmer gesagt hatte. Eine Ära ging zu Ende, und eine
neue begann. Auf die alten Loyalitäten – und vielleicht
auch auf die Vernunft – war kein Verlass mehr.
    »Sie warten hier auf uns«, sagte Grelier.
    »Natürlich! Wer sollte mich sonst am Leben
erhalten?«
    Das Shuttle hob ab und glitt neben die Landeplattform. Ein Spalt
von einem Meter Breite entstand. Rachmika sah Quaiches Finger
hektisch über die Steuerkonsole jagen. Die
Stabilisierungsdüsen gaben nach verschiedenen Richtungen
stotternde Schubstöße ab: purpurgeränderte
Feuerspeere, die im Bruchteil einer Sekunde erloschen.
     
    Glaur hatte die Werkstatt erreicht. Eine Goldgrube voller
blitzblanker, ordentlich aufgereihter Hilfsmittel für einen
Ausbruch. Damit konnte man sich durch jedes Hindernis schneiden. Die
Schwierigkeit wäre nur, die Dinge seiner Wahl über die
Wendeltreppe bis zu dem verschlossenen Gitter zu schleppen. Und
genügend Platz zu finden, um sicher arbeiten zu können,
ohne sich zu verletzen. Das war auf der engen Wendeltreppe nicht so
einfach. Er sah sich um: Selbst mit diesen Einschränkungen war
die Auswahl groß genug. Er brauchte nur ein wenig Zeit. Seine
behandschuhten Hände verharrten über einem Schneidbrenner,
dann glitten sie weiter. Er musste auf Anhieb richtig entscheiden:
Auf keinen Fall wollte er noch einmal die Treppe heruntersteigen,
schon gar nicht in diesem Anzug.
    Er schaute zurück in die große Halle. Mit dem Gedanken,
sich einen Weg freizuschneiden, war ihm die Erkenntnis gekommen, dass
er die Treppe gar nicht mehr hinaufzusteigen brauchte.
Schließlich wollte er die Morwenna nur so schnell wie
möglich verlassen: Er besaß nichts, was sich

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