Offenbarung
arbeiten lassen. Hela mit Haldora zu
synchronisieren, wäre kein Werk von Tagen, sondern eher mit dem
Bau einer Kathedrale zu vergleichen. Sie würden seinen toten
Körper so lange schinden, bis die Arbeit getan war, um ihn dann
vielleicht aufzubahren oder heilig zu sprechen.
Die Gardisten rückten weiter vor. Die Betäubung
beschränkte sich nicht länger auf die schmalen, gewundenen
Gassen, die sie durch ihn schlugen, sondern erfasste weitere Bereiche
seiner Anatomie. Auch als er die Schläfer in den Orbit
entließ, hatte er diese Taubheit gespürt, aber damals
hatte er sich die Verletzungen selbst zugefügt und darauf
geachtet, dass die Schäden nicht größer waren als
unbedingt nötig. Darauf hatte er nun keinen Einfluss mehr, und
gerade deshalb fand er die Empfindungslosigkeit so erschreckend. Bald
schon – in wenigen Stunden vielleicht – würde er gar
nichts mehr spüren. Er wäre nicht mehr, und nur die
autonomen Prozesse blieben zurück.
Noch war Zeit zu handeln. Er nahm sich selbst zunehmend weniger
wahr, aber sein Körper bildete ja nur das kleine blanke Zentrum
seiner Bewusstseinssphäre. Auch im Schlitten der Haltebucht
empfing er noch Daten von den Drohnen, die er um Hela herum
ausgesetzt hatte. Ihm entging nichts, was auf dem Mond geschah, die
Aufnahmen der vielen Kameras wurden gesammelt und für ihn zu
einem Bild zusammengesetzt.
Und die drei hypometrischen Geschütze, die tief in seinem
Bauch ruhten, mussten die Gardisten erst noch finden. Die Waffen
waren entsetzlich anspruchsvoll in der Bedienung. Schon bei
gewöhnlichem Schub war es schwierig genug, sie zu kalibrieren,
geschweige denn wie jetzt in Seitenlage. Niemand wusste, wie die
Schwenkarme reagieren würden, wenn er sie aktivierte; wie lange
sie funktionieren würden, bevor sie sich selbst und alles in
ihrer Umgebung in Stücke rissen.
Einmal konnte er sie wahrscheinlich einsetzen. Er brauchte nur ein
Ziel, irgendetwas, mit dessen Zerstörung er auch etwas
bewirkte.
Das Bild von Hela wurde schwächer. Er nahm sich zusammen und
konzentrierte sich auf die Datenströme. Auch Ansichten der
Kathedrale waren dabei, aus verschiedenen Winkeln und Höhen
aufgenommen. Die schwachen, unscharfen, multispektralen und in
ständiger Bewegung befindlichen Signaturen zu einem
dreidimensionalen Bild zusammenzusetzen, war so anstrengend, dass er
die Gardisten und ihre Attacken für einen Moment vergaß.
Dann sah er die Morwenna vor sich, unnatürlich klar wie
eine Vision. Seine räumliche Beziehung zu dieser Kathedrale
wurde ständig aktualisiert, als wären er und sie mit einer
straffen Eisenkette aneinander gefesselt. Er wusste stets, wie weit
sie entfernt war. Er wusste, in welcher Richtung sie sich befand.
Hoch oben auf dem flachen Dach eines Turms tanzten winzige Figuren
wie mechanische Püppchen, die man aufgezogen hatte.
Sie hatten die Landeplattform der Morwenna erreicht. Dort
warteten zwei Landefähren: das Schiff, mit dem die Ultras
gekommen waren, und die rote Muschelschale des Generalmedikus, die
Rachmika bereits kannte. Beide wiesen schwarze Einschusslöcher
auf. Man hatte aus nächster Nähe auf sie gefeuert. Wenn die
Zeit nicht so knapp wäre, dachte Rachmika, hätten sich die
Schiffe vielleicht selbst reparieren und aus eigener Kraft starten
können. Aber gerade jetzt war Zeit Mangelware.
Grelier presste die Spritze von außen fest gegen ihren
Anzug. Sie wusste nicht, ob die Nadel die Gewebeschichten
durchstoßen und bis zu ihrer Haut vordringen könnte, aber
sie wollte es auf keinen Fall darauf ankommen lassen. Sie wusste, was
DEUS-X war und was es anrichten konnte. Vielleicht gab es ein
Gegenmittel, vielleicht würde sich die Wirkung mit der Zeit auch
abschwächen, weil ihr Körper sich selbst immunisierte. Aber
über eines waren sich alle einig, die jemals mit
Indoktrinationsviren in Berührung gekommen waren: Wenn man ein
solches Virus erst einmal im Blut hatte, war man für immer
geschädigt.
»Sehen Sie nur«, schwärmte Grelier, als wollte er
sie auf die Schönheiten der Landschaft hinweisen. »Die
Abgasstrahlen sind immer noch zu sehen.« Er deutete auf die zwei
Lichtspeere, die sich wie eine Straße über den Himmel
zogen. »Unser Dekan mag viele Schwächen haben, aber wenn er
einmal einen Plan gefasst hat, hält er sich auch daran. Nur
schade, dass er sich nicht dazu durchringen konnte, mich vorher zu
informieren.«
»Ich hätte an Ihrer Stelle Bedenken wegen des
Schiffes«, sagte Rachmika. »Es ist so nahe, dass es
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