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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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beiden Seiten hintereinander angeordnet. Eine
Reihe würde sehr viel näher an ihm vorbeimarschieren als
die andere, aber immer noch weit genug entfernt, dass sie ihm nicht
wirklich gefährlich werden konnte.
    Allmählich schnitt ihm der Gürtel unangenehm tief ins
Fleisch. Jetzt oder nie, dachte Glaur. Er hob die Hand und
nestelte die Schnalle auf. Plötzlich war er frei.
    Er schlug auf dem Eis auf. Es war schlimm – er war noch nie
aus solcher Höhe gefallen –, aber sein Rücken fing das
meiste ab, und nachdem er eine Minute lang still gelegen hatte, fand
er die Kraft, sich auf den Bauch zu wälzen und ans Aufstehen zu
denken. Die ganze Zeit war die Unterseite der Morwenna mit
ihrer komplizierten Maschinerie wie ein Himmel voller eckiger Wolken
über ihn hinweggezogen.
    Glaur rappelte sich auf und stellte erleichtert fest, dass
offenbar alle Glieder heil geblieben waren. Auch die Luftzufuhr hatte
unter dem Sturz nicht gelitten: Die Anzeigen im Helm waren alle im
grünen Bereich. Der Anzug hatte noch genügend Luft für
dreißig Stunden bei anstrengender Bewegung. Die Zeit würde
er auch brauchen: Er musste schließlich so lange entlang des Weges zurückgehen, bis er auf Flüchtlinge traf oder
vielleicht einem Rettungstrupp von einer anderen Kathedrale
begegnete. Es würde knapp werden, dachte er, aber er war doch
lieber auf eigenen Beinen unterwegs, als in der Kathedrale zu warten,
bis die Morwenna mit einem ersten schrecklichen Ruck über
die Kante in den Abgrund stürzte.
    Bevor Glaur tatsächlich losmarschieren konnte, tauchte hinter
der Beinreihe, die ihm am nächsten war, eine Gestalt im
Raumanzug auf und lief – oder besser, watschelte – auf ihn
zu. Glaur musste lachen: Der andere war nur so groß wie ein
Kind und hatte eine komische Art, sich zu bewegen. Im Geiste
ließ er die Bewohner der Kathedrale Revue passieren. Wer mochte
dieser Zwerg sein, und was mochte er von ihm, Glaur, wollen?
    Dann blitzte in dem seltsamen zweifingrigen Handschuh des Fremden
ein Messer auf – ein Messer, das flimmerte, als könnte es
sich nicht entscheiden, welche Form es annehmen wollte –, und
Glaur blieb das Lachen in der Kehle stecken.
     
    »Ich hatte so etwas befürchtet«, sagte Grelier.
»Sind Sie unverletzt? Können Sie sehen?«
    »Ich denke schon«, sagte Rachmika. Die Fähre des
Dekans war explodiert. Sie war noch benommen, aber im Wesentlichen
heil geblieben.
    »Dann stehen Sie auf. Wir haben nicht viel Zeit.« Wieder
spürte Rachmika, wie die Nadel von außen gegen ihren Anzug
gedrückt wurde.
    »Quaiche hatte Unrecht«, sagte sie, ohne sich zu
bewegen. »Das Lichtschiff war immer eine Gefahr.«
    »Halten Sie den Mund und kommen Sie.«
    Die rote Muschelfähre hatte wohl seine Gegenwart
gespürt. Sie ließ zur Begrüßung zwei grüne
Lichter aufblinken. In einer Seite öffnete sich eine kleine
Tür.
    »Steigen Sie ein«, sagte Grelier.
    »Wir können Ihr Schiff nicht nehmen«, sagte
Rachmika.
    »Sie haben doch gehört, was Quaiche sagte? Er hat es von
seinen Männern beschädigen lassen.«
    »Es braucht nicht weit zu fliegen. Ich wäre schon
zufrieden, wenn es uns von der Kathedrale wegbrächte.«
    »Angenommen, es kann überhaupt starten, wohin soll es
dann gehen? Doch wohl nicht zur Haltebucht?«
    »Das war Quaiches Plan, nicht meiner.«
    »Wohin dann?«
    »Ich werde mir etwas einfallen lassen«, sagte er.
»Ich kenne viele Verstecke auf dieser Welt.«
    »Sie brauchen mich nicht mitzunehmen.«
    »Sie sind nützlich, Miss Els, viel zu nützlich, um
Sie ausgerechnet jetzt wegzuwerfen. Das sehen Sie doch ein?«
    »Geben Sie mich frei. Lassen Sie mich zurückgehen und
meine Mutter retten. Sie brauchen mich nicht mehr.« Sie deutete
mit einem Nicken auf die kleinen Fähre. »Fliegen sie los.
Alle werden denken, dass ich bei Ihnen bin. Man wird Sie nicht
angreifen.«
    »Das ist nicht ganz ungefährlich«, sagte er.
    »Bitte… erlauben Sie mir, meine Mutter zu
retten.«
    Er trat einen Schritt auf das wartende Schiffchen zu, dann blieb
er stehen, als hätte er etwas vergessen und müsste noch
einmal in die Morwenna zurück.
    Doch er sah sie nur an und gab einen schrecklichen Laut von
sich.
    »Generalmedikus?«, fragte Rachmika.
    Sie spürte den Druck der Nadel nicht mehr. Die Spritze fiel
lautlos auf das Deck. Der Generalmedikus zuckte zusammen und brach in
die Knie. Wieder stieß er dieses gequälte Gurgeln hervor.
Hoffentlich musste sie dieses Geräusch nie wieder
hören.
    Sie richtete sich auf. Ihre Beine

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