Offenbarung
– waren es Mordopfer.
Es war nicht immer ganz einfach, aber Quaiche hatte ein besonderes
Gespür entwickelt: Er kannte die Zeichen und wusste auch, wo er
zu suchen hatte. Und um 107 Piscium waren keine Spuren menschlicher
Anwesenheit zu entdecken.
Dennoch hatte irgendjemand diese Brücke gebaut.
Vielleicht waren seither Jahrhunderte vergangen; dann wären
inzwischen die meisten Spuren verwischt. Aber wenn die
Brückenbauer nicht extrem reinlich gewesen waren, müsste
doch noch irgendetwas zu finden sein. Quaiche hatte noch nie
gehört, dass jemand in diesem Ausmaß Großreinemachen
betrieben hätte. Und warum hätte man das Bauwerk so weit
von den großen Handelszentren entfernt versteckt? Selbst wenn
sich gelegentlich Besucher in das System verirrten, lag 107 Piscium
keinesfalls an den großen Handelsrouten. Wollten diese
Künstler nicht, dass jemand ihr Werk sah?
Vielleicht war genau dies ihre Absicht gewesen: Vielleicht sollte
das Bauwerk hier stehen und im Licht von 107 Piscium funkeln, bis
jemand es zufällig fände? Vielleicht war Quaiche auch so
spät noch die ahnungslose Zielscheibe eines Jahrhunderte
umspannenden kosmischen Witzes?
Aber das glaubte er nicht.
Sicher war nur, dass es ein schwerer Fehler gewesen wäre,
Jasmina mehr zu verraten, als er es getan hatte. Zum Glück hatte
er der Versuchung widerstanden, ihr seinen Wert zu beweisen. Wenn er
jetzt mit einem sensationellen Fund zurückkam, würde er als
jemand dastehen, der sich äußerster Zurückhaltung
befleißigt hatte. Nein, seine letzte Nachricht war in ihrer
Kürze genau richtig gewesen. Er war stolz auf sich.
Jetzt war das Virus doch erwacht, vielleicht hatte sein fataler
Stolz es aktiviert. Er hätte seine Gefühle im Zaum halten
müssen. Aber nun war es zu spät: Der Punkt, bis zu dem sich
das Feuer noch ersticken ließ, war überschritten. Noch
konnte er freilich nicht sagen, ob es ein schwerer Anfall werden
würde. Er murmelte zur Beschwichtigung ein paar lateinische
Phrasen. Wenn er den Forderungen des Virus zuvorkam, fielen die
Attacken manchmal etwas milder aus.
Gewaltsam wie ein Betrunkener, der sich zu konzentrieren versucht,
lenkte er seine Gedanken wieder auf Haldora. Ein merkwürdiges
Gefühl, auf eine Welt zuzustürzen, der er selbst ihren
Namen gegeben hatte.
In einer interstellaren Kultur, die lediglich lichtschnelle
Verbindungen kannte, war die Nomenklatur ein schwieriges
Geschäft. Alle großen Raumschiffe hatten Datenbanken, in
denen verschiedene Sterne samt ihren Welten und deren Trabanten
gespeichert waren. In den Kernsystemen – im Umkreis von einem
Dutzend Lichtjahren von der Erde – war es kein Problem, man
behielt einfach die Namen bei, die Jahrhunderte zuvor bei der ersten
interstellaren Erkundungswelle vergeben worden waren. Doch sobald man
auf unerforschtes Gebiet vordrang, wurde das Verfahren
unübersichtlich und kompliziert. Wenn die Dominatrix behauptete, die Welten um 107 Piscium hätten niemals Namen
bekommen, dann hieß das nur, dass in der Schiffsdatenbank
nichts darüber verzeichnet war. Doch diese Datenbank war
vielleicht seit Jahrzehnten nicht mehr ernsthaft aktualisiert worden;
die anarchistischen Ultras hielten nicht viel vom
Informationsaustausch mit einer zentralen Behörde, sondern
verständigten sich lieber direkt von Schiff zu Schiff. Wenn zwei
oder mehr Lichtschiffe zusammentrafen, verglichen sie ihre
Nomenklaturtafeln miteinander und brachten sie auf den neuesten
Stand. Wenn Schiff Nummer eins einer Gruppe von Welten und den
dazugehörigen geografischen Merkmalen Namen zugewiesen hatte und
Schiff Nummer zwei keine aktuelleren Einträge für diese
Himmelskörper fand, pflegte es diese Namen in seine Datenbank
aufzunehmen. Dort wurden sie manchmal so lange als provisorisch
gekennzeichnet, bis ein drittes Schiff bestätigte, dass sie noch
frei waren. Stimmten die Einträge zweier Schiffe nicht
überein, dann wurden die Datenbanken gleichzeitig aktualisiert,
und die jeweilige Welt erhielt zwei gleich wahrscheinliche Namen.
Widersprachen sich die Einträge bei drei oder mehr Schiffen,
dann wurden die Einträge verglichen, und falls zwei oder mehr
gleiche Einträge zeitlich vor einem dritten lagen, so wurde
letzterer gelöscht oder in einer Unterdatei für fragliche
oder inoffizielle Bezeichnungen gespeichert. War ein System
tatsächlich zum ersten Mal benannt worden, dann eroberten die
neuen Namen mit der Zeit die Datenbanken der meisten Schiffe, doch
das konnte sich über Jahrzehnte
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