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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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viel darin. Ich bin
nicht einmal sicher, ob es seine Handschrift war.«
    »Und das Geld?«, fragte Linxe behutsam.
    »Das kam auch weiterhin. Nicht viel, aber genug, um uns
über die Runden zu bringen.«
    »Du glaubst, sie haben ihn sich geschnappt?«, fragte
Crozet.
    »Ich weiß es. Ich wusste es, sobald wir diesen
Vermittler kennen lernten, auch wenn ich die Einzige war. Es ging ihm
nur um diesen Blutzoll oder wie er es nannte.«
    »Und jetzt?«, fragte Linxe.
    »Jetzt will ich herausfinden, was mit meinem Bruder geschehen
ist«, sagte Rachmika. »Was hatten Sie denn
gedacht?«
    »Die Kathedralen werden nicht begeistert sein, wenn jemand
solch alte Geschichten wieder ausgräbt«, warnte Linxe.
    Rachmika schob trotzig die Lippen vor. »Und ich bin nicht
begeistert, wenn man mich anlügt.«
    »Weißt du, was ich glaube?«, sagte Crozet
lächelnd. »Die Kathedralen sollten hoffen, dass Gott mit
ihnen ist. Wenn du sie dir erst vornimmst, werden sie jede Hilfe
brauchen, die sie kriegen können.«

 
Sieben
Im Anflug auf Hela

2615
     
     
    Die Räubertochter fiel wie eine goldene Schneeflocke
durch das stauberfüllte Vakuum des interplanetaren Raums. Seit
Quaiche Morwenna verlassen hatte, waren drei Stunden vergangen; seine
Botschaft an die königliche Kommandantin der Gnostische
Himmelfahrt schlängelte sich, ein dünner Photonenfaden,
noch immer durch den Weltraum. Quaiche verglich sie mit den Lichtern
eines Zuges, der durch die Weiten eines stockdunklen Kontinents fuhr,
und erschauerte angesichts der riesigen Entfernungen, die ihn von
anderen intelligenten Wesen trennten.
    Aber er hatte schon schlimmere Situationen überstanden, und
diesmal war der Erfolg immerhin zum Greifen nahe. Die Brücke auf
Hela war noch da; sie war keine Halluzination der Sensoren, kein
Hirngespinst, geboren aus seinem verzweifelten Wunsch, etwas zu
finden. Und je näher er kam, desto höher wurde die
Wahrscheinlichkeit, dass sie ein echtes technisches Artefakt war und
nicht irgendetwas anderes. Quaiche hatte sich oft genug
irreführen lassen – von geologischen Formationen etwa, die
aussahen wie auf dem Reißbrett entworfen, von einem Bildhauer
liebevoll geformt oder in Massenproduktion hergestellt –, aber
mit diesem Objekt war nichts von alledem zu vergleichen. Sein
Instinkt sagte ihm, dass hier nicht die Geologie am Werk gewesen war,
aber die Frage, wer – oder was – das Ding geschaffen hatte,
war nicht so leicht zu beantworten. Schließlich sah es immer
noch so aus, als wäre 107 Piscium vor ihm von niemandem besucht
worden. Eine Mischung aus heiliger Scheu, Angst und wilder Hoffnung
ließ ihn erschauern.
    In seinem Blut erwachte das Indoktrinationsvirus, ein Ungeheuer,
das sich herumwälzte und verschlafen ein Auge öffnete. Es
war immer gegenwärtig, aber meistens schlief es und störte
ihn weder im Traum noch im Wachen. Wenn es aufwallte, durch seine
Adern tobte und ihm in den Ohren dröhnte wie ferner Donner,
hatte er Visionen. Dann sah er bunte Kirchenfenster am Himmel und
hörte Orgelmusik im subsonischen Grollen der
Korrekturschübe, die aus den Triebwerken seiner winzigen
Landefähre kamen.
    Quaiche zwang sich zur Ruhe. Gerade jetzt durfte das Virus nicht
die Oberhand gewinnen. Später, wenn er wieder wohlbehalten auf
der Dominatrix saß, mochte es ihn seinethalben in einen
sabbernden, Unsinn brabbelnden Idioten verwandeln. Aber nicht jetzt
und nicht hier. Jetzt brauchte er seinen klaren Verstand so dringend
wie nie zuvor.
    Das Monster gähnte und schlief weiter.
    Quaiche war erleichtert. Er hatte also doch noch eine gewisse
Kontrolle über das Virus.
    Er kehrte in Gedanken zur Brücke zurück, doch diesmal
war er vorsichtiger und ließ sich nicht von dem kosmischen
Schauer überwältigen, der beinahe das Virus geweckt
hätte.
    Konnte er wirklich ausschließen, dass sie von Menschen
errichtet worden war? Menschen luden ihren Müll
schließlich überall ab. Ihre Schiffe spuckten Radioisotope
aus und hinterließen glitzernde Streifen auf Monden und
Planeten. Aus ihren Raumanzügen und Habitats entweichende Atome
umgaben bis dahin atmosphärelose Himmelskörper mit
hauchdünnen Gashüllen. Die Partialdrücke der einzelnen
Gase waren todsichere Indizien. Menschen deponierten
Navigationstransponder, Servomaten, Brennstoffzellen und
Abfälle. Kleine gelbe Schneebälle aus Menschenpisse
umkreisten wie kleine Ringsysteme die Planeten. Man fand auch
menschliche Leichen, und hin und wieder – häufiger, als
Quaiche gedacht hätte

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