Offenbarung
bewerben, ohne gleich die gesamte
Weltanschauung der betreffenden Kirche übernehmen zu
müssen. Er wollte nur einen Arbeitsvertrag, der festhielt, dass
er gegen Bezahlung sein Können als Sprengmeister zur
Verfügung stellte. Gerüchteweise hörte man sogar von
Stellen in der technischen Verwaltung, die für die
Instandhaltung des Weges zuständig war. Harbin konnte gut
rechnen und erhoffte sich, irgendwann die Ladungen nicht mehr selbst
legen zu müssen, sondern nur noch die Planungsarbeit zu leisten.
Es hörte sich gut an. Er nahm sich vor, von seinem Gehalt nur so
viel zu behalten, wie er zum Leben brauchte, den Rest wollte er ins
Ödland schicken.«
»Und damit waren deine Eltern einverstanden?«, fragte
Crozet.
»Sie reden nicht viel darüber, und man muss schon genau
hinhören, aber dass Harbin sich mit den Kirchen einließ,
war ihnen nicht geheuer. Andererseits war es vernünftig. Die
Zeiten waren hart. Und Harbin sprach immer nur von den finanziellen
Vorteilen, so als würde nur er von den Kirchen profitieren und
nicht umgekehrt. Die Eltern ermunterten nicht gerade, aber sie rieten
ihm auch nicht ab. Es hätte ohnehin nicht viel
genützt.«
»Harbin packte also seine Koffer…«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, wir kamen alle mit, wie
bei einem Familienausflug. Es war wie jetzt – fast das ganze
Dorf fuhr den Karawanen entgegen. Jemand nahm uns in seinem Jammer
mit, die Fahrt ging über zwei oder drei Tage. Damals kam es mir
zwar viel länger vor, aber ich war ja erst neun. Irgendwo
draußen vor den Ebenen trafen wir auf die Karawane. Und dort
gab es einen Mann, eine Art…« Rachmika stockte. Nicht, dass
ihr Gedächtnis sie im Stich gelassen hätte, aber die alten
Gefühle kamen auch nach acht Jahren wieder hoch. »Ich
denke, er war so etwas wie ein Personalvermittler. Arbeitete für
eine von den Kirchen. Genauer gesagt für die größte.
Die Ersten Adventisten. Harbin hatte erfahren, dass er sich an diesen
Mann wenden müsste, um Arbeit zu finden. Wir gingen alle zu dem
Treffen, die ganze Familie. Meistens redete Harbin, wir anderen
saßen nur dabei und hörten zu. Es war noch ein Mann mit im
Raum, der sagte gar nichts; er sah uns – vor allem mich –
immer nur an, und er hatte einen Krückstock, den er hin und
wieder an die Lippen drückte, als wollte er ihn küssen. Mir
war er nicht geheuer, aber Harbin hatte nichts mit ihm zu tun, und so
achtete ich mehr auf den Personalvermittler. Wenn Mum oder Dad dem
eine Frage stellten, antwortete er sehr höflich. Aber meistens
unterhielt er sich nur mit Harbin. Er erkundigte sich nach seiner
beruflichen Erfahrung, und Harbin erzählte ihm von seiner Arbeit
mit den Sprengstoffen. Der Mann kannte sich auf dem Gebiet offenbar
ein wenig aus, denn er fühlte meinem Bruder gründlich auf
den Zahn. Ich verstand zwar nicht, worum es ging, aber Harbin
überlegte sich seine Antworten sehr genau, und daran merkte ich,
dass die Fragen weder dumm noch oberflächlich waren. Der
Vermittler bekam offenbar einen guten Eindruck von Harbin, denn er
erklärte ihm, seine Kirche bräuchte tatsächlich immer
wieder Sprengstoffexperten, vor allem in der technischen Abteilung.
Die Freihaltung des Weges sei eine Aufgabe, die niemals
abgeschlossen sei, einer der wenigen Bereiche, wo die Kirchen
kooperierten. Und er fügte hinzu, in der Abteilung würde
gerade ein neuer Techniker mit Harbins Erfahrungen gesucht.«
»Also alles eitel Freude«, bemerkte Crozet.
Wieder schlug ihm Linxe auf die Finger. »Lass sie
ausreden.«
»Ja, wir freuten uns«, sagte Rachmika. »Jedenfalls
zunächst. Schließlich sah es so aus, als würden sich
Harbins Hoffnungen erfüllen. Interessante Arbeit zu guten
Bedingungen. Und Harbin wollte auch nur einen oder zwei Umläufe
bleiben, so lange, bis im Ödland neue Grabungen eröffnet
würden. Das sagte er dem Vermittler natürlich nicht.
Dafür stellte er ihm eine wichtige Frage.«
»Nämlich?«, fragte Linxe.
»Er hätte gehört, manche Kirchen würden ihre
Arbeitskräfte mit besonderen Methoden zu ihrer Sicht der Dinge
bekehren. Hinterher glaubten die Leute, ihre Leistung sei nicht nur
von materiellem Wert, sondern sie verrichteten ein heiliges
Werk.«
»Du meinst, der Glaube wurde ihnen aufgezwungen?«,
fragte Crozet.
»Mehr noch: Sie wurden so weit gebracht, dass sie ihn
freiwillig annahmen. Dafür gibt es Mittel und Wege. Und aus der
Sicht der Kirchen ist es sogar verständlich. Sie wollen ihre
teuer erkauften Fachkräfte behalten. Aber meinem
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