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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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die Frau langsam aus der Embryostellung in eine
normale Haltung. Bänder und Gelenke knirschten und knackten
bedrohlich. Die Frau stöhnte unter der Maske und begann die
Kabel und Leitungen wegzureißen, die sich in ihre Haut bohrten
oder mit Klebepflastern darauf befestigt waren.
    »Ich kenne sie«, sagte Clavain leise. »Sie
heißt Ana Khouri. Sie war eine Freundin von Ilia Volyova auf
der alten Unendlichkeit, bevor uns das Lichtschiff in die
Hände fiel.«
    »Die ehemalige Soldatin«, sagte Scorpio. Er hatte die
Frau ein paarmal getroffen und wusste ein wenig über ihre
Vergangenheit Bescheid. »Du hast Recht – das ist sie. Aber
sie sieht irgendwie anders aus.«
    »Natürlich. Sie ist ungefähr zwanzig Jahre
älter. Außerdem hat man sie zur Synthetikerin
gemacht.«
    »War sie das denn vorher nicht?«, fragte Vasko.
    »Nicht, solange wir sie kannten«, sagte Clavain.
    Scorpio sah den Alten an. »Und du bist sicher, dass sie jetzt
Synthetikerin ist?«
    »Ich konnte ihre Gedanken lesen. Ich konnte erkennen, dass
sie nicht Skade oder einer ihrer Freunde war. Mein Fehler war nur,
daraus zu schließen, sie müsste Remontoire sein.«
    Valensin wollte sich abermals an ihm vorbeidrängen. »Ich
würde mich jetzt gerne um sie kümmern, wenn ich nicht allzu
sehr störe.«
    »Sie schafft das schon selbst«, sagte Scorpio.
    Khouris Haltung war jetzt fast aufrecht. Sie saß da wie
jemand, der auf eine Verabredung wartete. Aber die Ruhe dauerte nur
ein paar Sekunden. Dann hob sie die Hand, zog sich die Maske ab und
holte sich fünfzehn Zentimeter schleimigen Plastikschlauch aus
der Kehle. Dabei stieß sie ein bellendes Keuchen aus, als
hätte sie einen Tritt in den Magen bekommen. Trockene
Hustenstöße folgten, doch nach einer Weile beruhigte sich
ihre Atmung.
    »Scorpio…«, mahnte Valensin.
    »Doc, ich habe seit dreiundzwanzig Jahren keinen Menschen
mehr geschlagen. Geben Sie mir jetzt keinen Anlass, von dieser
Gewohnheit abzuweichen. Setzen Sie sich hin!«
    »Sie sollten tun, was er sagt«, bemerkte Clavain.
    Khouri drehte ihnen den Kopf zu. Dann hob sie eine Hand, legte sie
schützend vor ihre blutunterlaufenen, verschwollenen Augen und
blinzelte zwischen den Fingern hindurch.
    Ohne sich abzuwenden, stand sie auf. Scorpio sah höflich aber
ungerührt zu. Manche Schweine wären durch den Anblick einer
nackten Frau stimuliert worden, so wie es auch Menschen gab, die sich
zu Schweinen hingezogen fühlten. Die physiologischen
Unterschiede zwischen einem weiblichen Schwein und einem weiblichen
Menschen waren nicht gerade extrem zu nennen, doch für Scorpio
waren sie das, worauf es ankam.
    Khouri stützte sich mit einer Hand an der Kapsel ab. Ihre
Knie neigten sich leicht nach innen, als wollte sie jeden Augenblick
zusammenbrechen. Aber sie konnte das Licht jetzt ertragen, auch wenn
sie die Lider noch zusammenkneifen musste.
    Endlich fragte sie mit heiserer, aber fester Stimme: »Wo bin
ich?«
    »Sie sind auf Ararat«, sagte Scorpio.
    »Wo.« Das war keine Frage.
    »Auf Ararat, das genügt vorerst.«
    »Ich nehme an, in der Nähe Ihrer
Hauptsiedlung.«
    »Wie gesagt…«
    »Wie lange?«
    »Das kommt darauf an«, antwortete Scorpio. »Zwei
Tage, seit wir das Signal Ihrer Kapsel auffingen. Wie lange Sie im
Meer lagen, wissen wir nicht. Oder wie lange Sie brauchten, um den
Planeten zu erreichen.«
    »Zwei Tage?« Sie sah ihn an, als hätte er Wochen
oder Monate gesagt. »Wieso hat das so lange gedauert?«
    »Sie hatten Glück, dass wir Sie so schnell gefunden
haben«, sagte Blood. »Und auf das Aufwachprogramm hatten
wir keinen Einfluss.«
    »Zwei Tage… Wo ist Clavain? Ich muss ihn sprechen. Bitte
sagen Sie jetzt nicht, Sie hätten ihn vor meiner Ankunft sterben
lassen.«
    »Keine Sorge«, sagte Clavain nachsichtig. »Wie Sie
sehen, bin ich noch recht lebendig.«
    Sie starrte ihn sekundenlang höhnisch an, als glaubte sie, er
erlaube sich einen schlechten Scherz. »Sie?«
    »Ja.« Er streckte die flachen Hände aus.
»Bedauere, wenn ich Sie enttäusche.«
    Sie betrachtete ihn noch etwas länger, dann sagte sie:
»Entschuldigen Sie. Es ist nur… nicht ganz das, was ich
erwartet hätte.«
    »Ich glaube, ich kann mich immer noch nützlich
machen.« Er wandte sich an Blood. »Holst du ihr bitte eine
Decke? Wir wollen nicht, dass sie uns erfriert. Und dann sollte
Doktor Valensin allmählich wohl doch seine medizinische
Untersuchung vornehmen.«
    »Dafür ist keine Zeit«, sagte Khouri und riss sich
ein paar Klebepflaster ab, die

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