Offenbarung
Brust schmerzte nicht mehr. Das ist also das Ende, dachte er. Vielleicht war dies die letzte Halluzination, bevor
sein Gehirn im Strudel des Massensterbens der Zellen versank. Hoffentlich ist sie gut, und hoffentlich hält sie an, bis ich
tot bin. Mehr verlange ich nicht.
Doch diesmal fühlte sich alles real an.
Er wollte sich umsehen, aber er saß noch immer in der Tochter fest. Doch sein Blickfeld war in Bewegung, die
Landschaft hüpfte und schaukelte. Er begriff, dass er über
das Geröll hinunter zum ebenen Teil des Talgrundes gezogen
wurde. Als er den Hals reckte, sah er mit seinem unversehrten Auge
ein Durcheinander von Kolben und blitzenden Gelenken.
Morwenna.
Aber es war nicht Morwenna. Es war ein Servomat, eine der
Reparaturmaschinen von der Dominatrix. Der
spinnenähnliche Roboter hatte Haftplatten an der Räubertochter befestigt und zog sie mit Quaiche darin
über den Boden. Natürlich, natürlich: Wie sonst
sollte er ihn hier herausbekommen? Quaiche schämte sich für
seine Begriffsstutzigkeit. Er hatte weder Raumanzug noch
Luftschleuse. Im Grunde genommen war das kleine Schiff sein
Raumanzug. Warum war ihm das bisher nie aufgefallen?
Er fühlte sich besser. Sein Kopf war klar, er war hellwach.
Der Servomat hatte eine Leitung in eine der Versorgungsöffnungen
der Tochter gesteckt. Wahrscheinlich führte er Frischluft
zu. Die Tochter hatte der Maschine sicherlich mitgeteilt, was
sie zu tun hatte, um ihren Insassen am Leben zu erhalten.
Vielleicht war die Luft sogar mit zusätzlichem Sauerstoff
angereichert, um seine Angst und seine Schmerzen ein wenig zu
lindern.
Er konnte es kaum fassen. Nach all den Halluzinationen erschien
ihm dieses Geschehen wie greifbare Realität. Es war rau und
stachelig wie ein echtes Erlebnis. Und wenn er sich recht erinnerte,
war in seinen Halluzinationen bisher kein einziger Servomat
vorgekommen. Er hatte das Rettungsverfahren nicht weit genug
durchdacht, um darauf zu kommen, dass man einen Servomaten brauchte,
um das Schiff mit ihm darin zu bergen. Im Rückblick lag das auf
der Hand, aber in seinen Träumen waren die Retter immer Menschen
gewesen. War nicht allein das Beweis genug, dass es sich jetzt um die
Realität handelte?
Quaiche warf einen Blick auf die Konsole. Wie viel Zeit war
vergangen? Hatte er es tatsächlich geschafft, fünf Stunden
lang mit der Luft auszukommen? Er hatte es nicht für
möglich gehalten, aber er atmete noch immer. Vielleicht hatte
das Indoktrinationsvirus geholfen und sein Gehirn in einen
geheimnisvollen Zen-Zustand versetzt, in dem es weniger Sauerstoff
verbrauchte.
Aber in der dritten oder gar vierten Stunde konnte keine Luft mehr
übrig gewesen sein. Es sei denn, das Schiff hätte sich
verrechnet. Eine bestürzende Vorstellung angesichts dessen, was
er durchgemacht hatte, aber die einzige Erklärung. Das Leck
konnte nicht so groß gewesen sein, wie die Tochter geschätzt hatte. Vielleicht war es anfangs schlimmer
gewesen, hatte sich dann aber teilweise wieder abgedichtet. Oder die
Selbstreparatursysteme waren nicht völlig ausgefallen, sodass
die Tochter das Leck hatte schließen können.
Ja, so musste es sein. Es gab einfach keine andere
Lösung.
Aber laut Konsole waren seit dem Absturz erst drei Stunden
vergangen.
Das konnte nicht sein. Dann befände sich die Dominatrix immer noch hinter Haldora und außer
Kommunikationsreichweite. Und das für weitere sechzig Minuten!
Plus viele Minuten mehr, bis sie ihn selbst mit Maximalschub
erreichen könnte. Und ein Notstart kam schließlich nicht
infrage. Immerhin war ein Mensch an Bord, der geschützt werden
musste. Zumindest müsste sich die Dominatrix auf die
bereits erprobte Bremsbeschleunigung beschränken.
Dennoch hockte sie vor ihm auf dem Eis. Und sah zum Anfassen real
aus.
Die Zeit konnte nicht stimmen, dachte er. Die Zeit konnte nicht
stimmen, und das Leck musste sich automatisch abgedichtet haben. Eine
andere Erklärung gab es nicht. Nein, wenn er genauer
darüber nachdachte, fiel ihm doch noch eine Möglichkeit
ein, aber die lohnte keine nähere Untersuchung. Wenn die Zeit
stimmte, müsste die Dominatrix seinen Notruf empfangen
haben, bevor sie hinter Haldora hervorkam. Das Signal hätte um
den Planeten herum zu ihr gelangen müssen. Wäre das
denkbar? Er hatte es ausgeschlossen, aber nachdem das Shuttle nun vor
ihm stand, war er für alles offen. Hatte irgendeine
physikalische Besonderheit dazu geführt, dass die
Atmosphäre wie ein Relais wirkte und sein Signal um
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