Offenbarung
blitzblanker
Klingen, scharf genug, um die Wirklichkeit und jeden, der
töricht genug war, zu tief in ihren Schädel zu schauen, in
dünne Scheiben zu zerschneiden. Das war es jedenfalls, was sie
offen legte. Vielleicht hatte es mit ihrem wahren Geisteszustand gar
nicht viel zu tun. Ihr Kopf war wie ein Spiegelsaal. Man bekam nur
das zu sehen, was sie einem zeigen wollte.«
Scorpio nickte. Er war nur ein einziges Mal und nur für
wenige Minuten mit Skade zusammengetroffen. Er war mit Clavain in ihr
Schiff eingedrungen, das schwer beschädigt gewesen war und
steuerlos dahintrieb, nachdem sie mithilfe gefährlicher
Alien-Maschinen versucht hatte, die Lichtgeschwindigkeit zu
überschreiten. Damals war sie geschwächt gewesen und hatte
die Erlebnisse nach dem Unfall noch nicht verarbeitet. Er hatte nicht
in ihr Bewusstsein blicken können, doch er hatte das Raumschiff
mit der festen Überzeugung verlassen, dass mit Skade nicht zu
spaßen war.
Er würde ihr nie in den Schädel schauen können, und
das bedauerte er auch nicht. Dennoch musste er vom Schlimmsten
ausgehen. Wenn Skade sich in der Kapsel befand, war es durchaus
möglich, dass sie ihre neuronalen Signale tarnte und Clavain in
Sicherheit wiegte, um dann im richtigen Moment ihre Krallen in sein
Gehirn zu schlagen.
»Sobald dir irgendwas komisch vorkommt…«, begann
Scorpio.
»Es ist Rem.«
»Bist du dir vollkommen sicher?«
»Ich bin sicher, dass es nicht Skade ist. Reicht dir
das?«
»Ich muss mich wohl damit zufrieden geben, Mann.«
»Hoffentlich«, sagte Clavain, »weil
nämlich…« Er verstummte und blinzelte überrascht.
»Warte. Jetzt tut sich etwas.«
»Gut oder schlecht?«
»Das werden wir gleich erfahren.«
Die Leuchtanzeigen an der Seite des Eies hatten sich immer wieder
verändert, seit sie es aus dem Meer gezogen hatten, aber jetzt
sprangen sie abrupt in einen anderen Modus. Ein roter Kreis blinkte
nicht mehr einmal alle zehn Sekunden, sondern mehrmals in einer
Sekunde. Scorpio beobachtete ihn wie gebannt. Dann hörte er ganz
zu blinken auf, starrte sie boshaft an – und wurde grün.
Aus dem Innern des Eies waren leise Schläge zu hören.
Scorpio musste an die alte mechanische Uhr denken, von der Clavain
gesprochen hatte. Gleich darauf öffnete sich in der Seite der
Kapsel ein Spalt. Scorpio war auf einiges gefasst, dennoch fuhr er
zurück. Kühler Dampf entwich aus dem Innern, der Spalt
wurde breiter. Eine große Platte aus rußig schwarzem
Metall schwang lautlos nach oben.
Eine Wolke verschiedener Gerüche traf das Hyperschwein:
Desinfektions- und Schmiermittel, heiß gewordene
Kühlflüssigkeit, menschliche Ausdünstungen.
Als sich der Dampf verzogen hatte, sahen sie eine nackte
menschliche Frau in Embryohaltung im Innern des Eies liegen. Sie war
mit grünlichem Schutzgel bedeckt und von einem Gewirr von
schwarzen Maschinen umrankt wie eine Statue von wildem Wein.
»Ist das Skade?«, fragte Scorpio. Er hatte Skade anders
in Erinnerung – schon die Kopfform stimmte nicht –, aber es
konnte nicht schaden, eine zweite Meinung einzuholen.
»Skade ist es nicht«, sagte Clavain. »Aber es ist
auch nicht Remontoire.« Er trat einen Schritt zurück.
Eine Automatik schaltete sich ein. Die Maschinen lösten sich
von der Frau. Sprühstrahlen entfernten das grüne Schutzgel.
Unter der Matrix war die Haut so hell wie Karamell. Der Kopf war fast
kahl geschoren. Kleine Brüste schmiegten sich in den Hohlraum
zwischen Beinen und Oberkörper.
»Ich will sie mir ansehen«, sagte Valensin.
Scorpio hielt ihn zurück. »Warten Sie. Wenn sie es bis
hierher allein geschafft hat, hält sie sicher noch ein paar
Minuten länger durch.«
»Scorp hat Recht«, sagte Clavain.
Die Frau zuckte wie ein toter Gegenstand, der mit Elektroschocks
zu einem Scheinleben erweckt wurde. Dann begann sie mit steifen
Fingern an dem Gel zu zupfen und die ekelhaften Klumpen von sich zu
schleudern. Ihre Bewegungen wurden zusehends hektischer, als versuche
sie ein Feuer zu ersticken.
Clavain hob die Stimme. »Hallo«, sagte er. »Keine
Aufregung. Sie sind in Sicherheit und unter Freunden.«
Der Sitz oder Rahmen, von dem die Frau gehalten wurde, hob sich
auf Kolben aus dem Ei. Obwohl sich viele von den Maschinen bereits
gelöst hatten, steckten immer noch zahlreiche Leitungen in ihrem
Körper. Ein komplexes Beatmungsgerät aus Plastik bedeckte
die untere Hälfte ihres Gesichtes und verlieh ihr das Profil
eines Affen.
»Kennt sie jemand?«, fragte Vasko.
Der Rahmen zog
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