Offene Rechnungen
auf ihren Schultern lasten, aber zum anderen glaubte sie in Reuter den richtigen Ermittler für eine erfolgreiche Aufklärung zu erkennen. Wenn ihm jedoch Amateure wie Juliane und Simon dazwischenpfuschen würden, könnte das eine Menge Ärger verursachen. Vielleicht gerieten sogar die Ermittlungen dadurch ins Stocken.
»Vergesst bitte nicht, dass ihr weder über die erforderliche Ausbildung noch über die uns zur Verfügung stehenden Mittel verfügt. Also, wie stellt ihr euch dann eine sinnvolle Ermittlung vor?«
Simon erkannte das clevere Vorgehen von Esther, die sich die stärksten Gegenargumente bis zum Schluss aufgehoben hatte. Die Oberkommissarin redete Juliane und ihm mächtig ins Gewissen und was ihn anbelangte, funktionierte es.
»Na, mit deiner Hilfe natürlich«, wischte Juliane diese Argumente jedoch kurzerhand vom Tisch.
Wenn die Psychologin etwas in ihren bisherigen einunddreißig Lebensjahren gelernt hatte, war es dies, dass man für seine Ziele kämpfen musste und Beharrlichkeit half dabei ungemein.
Esther war einen Moment sprachlos, schaute ungläubig von Juliane zu Simon. Sie konnte nicht glauben, dass ihre Freunde ernsthaft an Ermittlungen auf eigene Faust dachten. Ihr wurde übel bei der Vorstellung, wie die temperamentvolle Juliane und der schüchterne Simon sich mit Verbrechern einlassen wollten.
»Das ist aber jetzt nicht euer Ernst, oder?«
»Wenn wir Ariane helfen wollen, werden wir deine Hilfe in Hinblick auf einige Ermittlungen sicherlich benötigen.«
Juliane konnte die psychologische Karte besser einsetzen als Esther. Das wusste sie und tat es ohne die Spur eines schlechten Gewissens.
Simon spürte die unausgesprochene Frage, die zwischen den Frauen im Raum schwebte. Ihm missfiel es, wie die beiden Freundinnen auf der psychologischen Ebene gegeneinander antraten.
»Oh, Leute! Ich will Ariane ganz bestimmt nicht unschuldig hinter Gittern sehen, aber was ihr da von mir erwartet, ist zu viel«, wehrte Esther sich weiterhin gegen eine Unterstützung.
Juliane schnaubte verächtlich auf und warf Esther einen vernichtenden Blick zu. Simon spürte, wie der rothaarigen Frau gleich der berühmte Deckel vom Kochtopf fliegen würde. Bevor es jedoch dazu kommen konnte, griff Simon beherzt ein.
»Ich verstehe deine Hemmungen, Esther. Wie wäre folgender Vorschlag. Jule und ich ermitteln zunächst mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln, während du Reuters Methoden studierst. Erweist er sich als neutraler Ermittler, musst du uns nicht helfen. Wenn dein Kieler Kollege sich jedoch auf Ariane einschießt, unterstützt du uns«, formulierte Simon einen Kompromiss, bevor Juliane ihr explosives Temperament gegen die Freundin richtete.
Simon hatte einen ähnlichen Verlauf der Diskussion bereits vorausgesehen und sich vorher seine Gedanken dazu gemacht. Das Verhalten der beiden Frauen entsprach absolut ihren Charakteren, daher versuchte er sich als Vermittler. Juliane neigte zu impulsiven Ausbrüchen, während Esther sehr konsequent auftreten konnte. Prallten diese Frauen aufeinander, verloren sie möglicherweise wertvolle Zeit für gemeinsame Ermittlungen. Seit Simon von Karlsruhe nach Kiel zum Medizinstudium gekommen war, hatte er sich oft über die spezielle Mentalität der Menschen in Schleswig-Holstein gewundert. Anfangs wirkte ihre wortkarge Art abweisend und wenig entgegenkommend. Lernte man sie jedoch näher kennen, erschloss sich das herzliche Wesen hinter dem Verhalten. Es gab genau wie in Karlsruhe aber auch einige Hitzköpfe unter den Nordlichtern, die sich dann an ihren Mitmenschen rieben und zu Blockadeverhalten einluden. Da dies zu Lasten von Ariane gehen würde, hatte Simon sich diesen Kompromiss im Vorfeld ausgedacht.
»Ja, auf diesen Vorschlag kann ich eingehen«, antwortete Esther nach kurzer Überlegung.
Simon warf Juliane einen fragenden Blick zu. Die Psychologin wirkte nicht sehr glücklich mit dieser Regelung, willigte aber nach einer Weile trotzdem ein.
»Was für einen Ansatz wollt ihr denn verfolgen?«, fragte Esther konkret nach.
An dieser Stelle sah auch Simon zur Psychologin.
»Na, wie wäre es mit den Verbrechern, die Ralph hinter Gitter gebracht hat? Ein oder zwei Typen sind doch bestimmt wieder auf freiem Fuß und kämen als Mörder in Betracht.«
»Stopp! Mit diesen Leuten legt ihr euch besser nicht an. Das übernehmen Reuter und ich. Oder möchtet ihr unbedingt mit eingeschlagenem Schädel gefunden werden?«
Der Einwand der Oberkommissarin erleichterte Simon ungemein. Bei
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