Offene Rechnungen
hineinpfuschte.
»Ich wollte mir Gewissheit verschaffen, Herr Reuter. Meine Leute haben nichts übersehen, was diesen Mord hätte verhindern können. Mehr nicht.«
Herbert Scholz war von Haus aus ein Mann, der seine Aufgaben zu hundert Prozent erfüllen wollte. Diesen Maßstab legte er auch bei seinen Mitarbeitern an, daher fühlte er sich zu den Nachforschungen absolut berechtigt.
Frank blätterte durch die Seiten der Akte und entdeckte neben dem Verweis auf das brennende Licht in der Cafeteria eine weitere Eigentümlichkeit.
»Was hat es mit dem schwarzen Van auf sich?«
Scholz wiegte unschlüssig den Kopf.
»Zu wenig, um mehr daraus machen zu können. Der Van, vermutlich ein Sharan älteren Baujahrs, stand die halbe Nacht auf dem Parkplatz am Zentrum. Nahe der Seitentür, was eigentlich nur Mieter oder deren regelmäßige Besucher machen. Der Wagen gehört keinem der Mieter. Ob es ein Besucher war, habe ich nicht ermitteln können. Vielleicht war es auch nur ein Fahrer, der den Parkplatz so genutzt hat.«
Der Fall verfügte über mehr Ungereimtheiten, als Frank anfangs gedacht hatte. Er war kaum vierundzwanzig Stunden dran und kämpfte mit immer mehr offenen Fragen. Dabei hatte er sich noch nicht einmal im Umfeld der verdächtigen Kriminellen von Rendsburg umgehört.
»Kommen wir zurück zum Licht in der Cafeteria, Herr Scholz. Haben Sie dafür eine Erklärung gefunden?«
Scholz seufzte und zeigte eine unzufriedene Miene.
»Ich kenne die Inhaberin, Heike Sonntag, noch aus der Zeit, als sie eine Kneipe in der Stadt hatte. Sie ist eine patente Frau, erzieht zwei Teenager und führt ein strenges Regiment beim Personal. Wenn jemand ihrer Mitarbeiter vergisst eine Lampe auszuschalten und die dann die ganze Nacht brennt, kann derjenige sich auf eine deftige Standpauke einstellen. Doch genau das soll hier nicht der Fall gewesen sein, Herr Reuter.«
Frank verstand nicht, worauf der Inhaber der Sicherheitsfirma anspielen wollte.
»Werden Sie bitte deutlicher, Herr Scholz.«
»Heike hat der Teilzeitkraft nur einen leichten, mündlichen Verweis erteilt und das wundert mich bei ihr wirklich. Irgendetwas stimmt mit dieser Geschichte nicht.«
Frank wurde hellhörig. Sein feines Gespür verriet ihm, dass Scholz noch mehr Eisen im Feuer hatte.
»Und? Kommen Sie! Da ist doch noch mehr.«
Scholz warf einen Blick aus dem Fenster, das einen tollen Blick auf den neu angelegten Obereiderhafen gewährte. Esther hatte beim Vorbeifahren ihren Kieler Kollegen auf diese Sehenswürdigkeit hingewiesen, was Frank amüsiert hatte. Die Förde in Kiel mit der Promenade, dem Bootshafen sowie dem gegenüberliegenden Ufer hatte Frank in dieser Hinsicht verwöhnt. Er ließ Scholz die Zeit, um sich die Antwort sorgfältig zurechtzulegen. Hier ging es nicht um eine mögliche Verschleierung von Fakten, sondern um das präzise Urteil eines erfahrenen Ermittlers. Als solchen schätzte Frank den Leiter des Sicherheitsdienstes nämlich ein.
»Heike hatte in ihrer Zeit als Kneipenwirtin einige Verfahren gegen sich laufen. Sie nimmt es mit den Bestimmungen bezüglich der Herkunft der Lebensmittel in ihrem Betrieb nicht sonderlich genau. Früher jedenfalls.«
Frank nahm die Einschränkung zwar zur Kenntnis, er spürte aber auch die Skepsis bei Scholz. Sein Gespräch mit Frau Sonntag erhielt jetzt eine andere Dringlichkeit. Daneben erkannte er, dass es auch nachteilig sein konnte, in diesen Ermittlungen ein Außenstehender zu sein. Ihm entgingen möglicherweise Dinge, weil er mit den örtlichen Gegebenheiten nicht vertraut war. Zukünftig wollte er eine Aufgabenteilung möglichst vermeiden und Esther Helmholtz zu allen Befragungen mitnehmen.
»Da Sie sich so gut auskennen, habe ich noch eine Frage. Was verbindet Tobias Landau und Ralph Wiese miteinander?«
Herbert Scholz schaute Frank überrascht an, dann gab er sein Wissen preis und kurz darauf fuhr ein sehr nachdenklicher Kieler Hauptkommissar zum Zentrum am Nord-Ostsee-Kanal. Als er auf dem Parkplatz am Gebäude stand, fasste er einen weiteren spontanen Entschluss. Er rief seine Kollegin an und beorderte sie zum Zentrum. Bis zu ihrem Eintreffen saß Reuter bei offener Wagentür und blinzelte in die Sonne. Auf seine Frage nach der Ehe des toten Kollegen hatte Scholz angedeutet, dass es wohl einige Schwierigkeiten gegeben haben musste. Er sprach eine zunehmende Spannung nach der merkwürdigen Erkrankung der Lehrerin an. Näheres konnte oder wollte der ehemalige Kollege von Ralph Wiese jedoch nicht sagen. Doch
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