Offene Rechnungen
ihren Träumen.
»Zu mir? In welcher Angelegenheit denn?«
Zuerst brachte Simon sich in Erinnerung, indem er erzählte, dass er mit dem Staatsanwalt und den Kriminalbeamten im Haus gewesen war. Sofort flammte Neugier in Ilonas Augen auf.
»Ja, jetzt erinnere ich mich. Womit kann ich Ihnen denn weiterhelfen, Herr Doktor?«
Es hatte Ilona einen leichten Stich versetzt, dass der Arzt wohl doch nicht ausschließlich wegen ihrer Person ins Zentrum gekommen war. Doch ihre angeborene Neugier ließ sie den Schmerz schnell vergessen.
»Den Doktor können Sie gerne weglassen, Frau Specht. Ich war gerade in der Cafeteria und habe dort gegessen. An meinem Tisch saßen einige Mieter des Hauses, die sich über den Mord unterhalten haben. Dabei fiel eine Bemerkung, die mich neugierig gemacht hat.«
Simon fiel quasi mit der Tür ins Haus und wenn Juliane ihn beobachtet hätte, wäre vermutlich eine deftige Reaktion gekommen. Leider war der Arzt kein Meister im Smalltalk, daher versuchte er es gar nicht erst.
»Ach, ja? Was für eine Bemerkung war das denn?«
Immerhin hatte Simon die Neugier der Angestellten geweckt, was er als Teilerfolg verbuchte. Er blieb seinem direkten Weg treu und setzte nach.
»Jemand deutete an, dass er bei den vielen nächtlichen Aktivitäten im Zentrum nicht über einen Mord wundern würde. Haben Sie dafür eine Erklärung?«
Ilona Specht wandte den Kopf und warf einen prüfenden Blick zu ihrem Kollegen, der bei geöffneter Tür im Büro links von ihr saß. Martens telefonierte und schenkte dem Gespräch am Tresen keinerlei Beachtung. Da ansonsten auch keine weiteren Zuhörer in der näheren Umgebung auszumachen waren, beugte Ilona sich vertraulich vor.
»Genaues kann ich dazu natürlich nicht sagen, Herr Doktor. Ab achtzehn Uhr ist der Empfang nicht mehr besetzt, aber bei den monatlichen Abrechnungen für die Mieter kann es auch einmal später werden. Da habe ich schon das eine oder andere mitbekommen. Das muss aber unter uns bleiben. Versprochen?«
Innerlich triumphierend nickte Simon mit verschwörerischer Miene zustimmend. Anschließend erhielt der Arzt einen Einblick in unerwartete Aktivitäten, die von merkwürdigen Geräuschen bis hin zu sehr eindeutigen Geräuschen gingen. Als Simon vorsichtig nachhakte, konnte er der Angestellten sogar einige Namen entlocken. Dann erschien ein Vertreter, der zu einem der Unternehmen im Haus wollte und noch bevor Simon sich weiter mit Ilona unterhalten konnte, kehrte auch Norbert Martens an den Empfangstresen zurück. Dennoch war er mit seinem Ergebnis sehr zufrieden und verabschiedete sich bei den Angestellten. Ilona zwinkerte ihm heimlich hinter Martens Rücken zu, was Simon mit einem Lächeln quittierte. Leise vor sich hin pfeifend verließ er das Zentrum und fuhr fünf Minuten später mit halb geöffneter Seitenscheibe zurück zum Krankenhaus. Vielleicht war Julianes Idee mit den eigenen Ermittlungen doch gar nicht so schlecht. Simon fühlte sich nach diesem Erfolg jedenfalls schon ein wenig wie einer der Fernsehkommissare.
*
Nach der Mittagspause saß Esther wieder an ihrem Schreibtisch und ging der Möglichkeit nach, ob Ariane Wiese und Monika Landau sich vielleicht doch besser gekannt haben könnten. Die Entwicklung der Ermittlungen machten der Oberkommissarin schwer zu schaffen, da sich das Gefühl eingestellt hatte, viele wichtige Hinweise schlicht übersehen zu haben. Das sollte ihr zukünftig nicht mehr passieren.
»Hallo, Esther. Ich habe mir die alten Fallakten von Ralph Wiese angesehen. Haben Sie dort nach möglichen Verdächtigen geforscht?«
Frank Reuters Stimme lenkte Esther von ihren Recherchen ab. Der fragende Ausdruck in den grünen Augen des Kieler Hauptkommissars brachte Esther in Verlegenheit.
»Nein, dazu bin ich bisher noch gar nicht gekommen. Soll ich es jetzt nachholen?«
Es wurmte sie, dass ihre Kette an Versäumnissen immer noch kein Ende finden wollte. Ohne Ralph war sie offenbar nicht zu brauchbaren Ermittlungen fähig. Welch bittere Erkenntnis.
»Nein, das habe ich schon selbst erledigt. Von Ihnen hätte ich gerne eine Aufstellung aller schwarzen Vans, besonders vom Typ Sharan, die im Einzugsgebiet von Rendsburg zugelassen sind.«
Auf ihr erstauntes Nachfragen erklärte Reuter den Hintergrund seiner Anweisung. Esther schob die Grübeleien zur Seite und stürzte sich in die Arbeit. Zunächst gab sie eine Anfrage an die Kraftfahrzeugzulassungsstelle im Kreishaus weiter. Bis die Rückmeldung davon vorliegen würde, blieb ihr
Weitere Kostenlose Bücher