Offene Rechnungen
Esther von der Neue Straße in die Rendsburger Straße abbog, platzte es aus der Oberkommissarin heraus.
»Und ob die Lady etwas zu verbergen hat! Mann, der stand das schlechte Gewissen geradezu ins Gesicht geschrieben.«
»Keine Einwände. Leider scheint Frau Landau ihr kleines Geheimnis lieber für sich zu behalten, auch wenn sie damit unser Misstrauen weckt. Sehr ärgerlich, falls es nichts mit dem Mord zu tun hat.«
Esther schaute ihn überrascht an. Ihr waren diverse Erklärungen für das auffällige Verhalten Monika Landaus im Verlaufe der Vernehmung durch den Kopf gegangen, allerdings keine, die in einem Zusammenhang mit dem Mord an Ralph standen.
»Sie sehen auch bei Monika Landau ein Mordmotiv? Welches bloß, um Gottes Willen?«
Frank kratzte sich am Kinn.
»Sie könnte ein Verhältnis mit Ralph Wiese gehabt haben. Vielleicht wollte er es gegen ihren Willen offiziell machen und mit Tobias Landau darüber reden. Bevor er es konnte, stellte Monika ihren Liebhaber und im Streit stieß sie ihn über die Brüstung.«
Esther hatte schweigend zugehört, doch dann stieß sie einen leisen Fluch aus.
»Verdammt, Frank! Sind in Ihrer Welt eigentlich alle Menschen potenzielle Mörder?«
»Ja, natürlich. Nur so kann ich in einer laufenden Ermittlung ausschließen, dass ich einen möglichen Hinweis übersehe. Sehen Sie, würden die Befragten uns ihre kleinen, schmutzigen Geheimnisse anvertrauen, statt zu lügen, dann könnten wir sie eventuell früher aus dem Kreis der Verdächtigen ausschließen. So läuft es aber in der Regel nicht.«
Esther dachte eine Weile schweigend über Franks Worte nach.
»Tja, da haben Sie wohl leider Recht. Bisher hatte ich auch bei jedem der Befragten das Gefühl, von ihnen angelogen zu werden. So dauern unsere Ermittlungen doch ewig!«
Esther stieß den letzten Satz entnervt hervor, was Frank auflachen ließ.
»Nein, keine Bange. Die Befragten wissen selbst, wie misstrauisch wir werden. Meistens unternehmen sie also irgendetwas und das löst wiederum eine weitere Reaktion aus. Die bleibt nicht verborgen und wir können dann entscheiden, ob die neuen Erkenntnisse für unsere Ermittlungen wichtig sind«, beruhigte er seine Kollegin.
»Ihr Wort in Gottes Gehörgang«, brummte eine noch nicht völlig überzeugte Esther.
KAPITEL 8
Simon rieb sich müde die Augen, warf einen hoffenden Blick hinauf zur Wanduhr. Der gestrige Abend mit Juliane und Esther hatte leider zu lange gedauert und so kämpfte er nach knapp vierzehn Stunden Dienst mit einer zunehmenden Erschöpfung. Um zwanzig Uhr wollte sich das Labor melden und die Ergebnisse der Biopsie mitteilen. Da die Patientin psychisch extrem angeschlagen war, wollte Simon ihr die hoffentlich gute Nachricht noch an diesem Abend mitteilen.
»Was, wenn es einen anderen Befund gibt?«
Die unheilschwangere Frage hing in der Luft und bereitete dem Stationsarzt der Inneren Abteilung Kopfschmerzen. Es fehlten noch sieben Minuten bis zwanzig Uhr, als das Handy auf dem Schreibtisch loslärmte. Simon Vester war ein großer Fan von Actionfilmen und hatte sich den Klingelton des berühmten Films heruntergeladen, in dem ein einfacher Cop eine ganze Bande von Terroristen in einem Hochhaus ausschaltete.
»Vester?«
»Was denkst du dir eigentlich, hä?«
Kein freundliches Hallo, sondern gleich volle Breitseite. Simon seufzte leicht genervt, als er Juliane Wagenknechts Stimme vernahm.
»Ich sitze noch am Schreibtisch in der Klinik und muss einer Patientin das Ergebnis einer Biopsie mitteilen. Deine Ungeduld wird also noch eine kleine Weile aushalten müssen. Es gibt allerdings Neuigkeiten.«
Mit einem zufriedenen Grinsen schaltete Simon ab, mit seiner Andeutung musste die Psychologin noch mehr in ihrer Neugier baden. Er wusste, wie kleinlich sein Verhalten war, dennoch genoss er die kleine Retourkutsche. Dann meldete sich der Kollege aus dem Labor und gab Entwarnung. Simon dankte ihm und erhob sich lockerer, als er sich im Grund fühlte. Er eilte über den Gang zum Zimmer der Patientin, die aufrecht im Bett saß und zusammen mit ihrer Bettnachbarin das Schleswig-Holsteinmagazin im Fernsehen anschaute. Ihr angstvoller Blick huschte sofort über sein Gesicht. Bewusst hatte Simon ein breites Lächeln aufgesetzt und nickte beim Blickkontakt, hob gleichzeitig den rechten Daumen in die Höhe. Tränen traten der Frau in die Augen, was aber nur Simon sehen konnte.
»Ich wollte den Damen nur noch einen entspannten Abend und eine erholsame Nacht wünschen, außer es gibt noch
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