Offene Rechnungen
noch ausreichend Zeit für einen Anruf bei Dr. Malzahn. Vielleicht hatte ihr Rechtsanwalt ja Neuigkeiten, die ein besseres Bild auf die Lage ihrer Mutter werfen würden. Esther erreichte jedoch nur die Bürokraft des Rechtsanwaltes, die aber ihre Bitte um Rückruf weitergeben wollte. Dr. Malzahn hatte einen Gerichtstermin. Irgendwo in ihrem Hinterkopf meldete sich eine mahnende Stimme, dass genau diese Vermischung privater Sorgen mit beruflichen Erfordernissen ihre Qualitäten als Polizistin minderte. Da Esther zwischenzeitlich die Liste aller schwarzen Vans des Kreisgebietes zugemailt bekommen hatte, verdrängte sie diesen Gedanken und las die Namen der Fahrzeuginhaber durch. Ein erster Abgleich mit den bisherigen Tatverdächtigen führte nur den Wagen der Ehefrau von Tobias Landau zu Tage. Von Monika Landau wussten sie allerdings schon und weitere Namen weckten nicht Esthers Verdacht. Sie teilte ihre Ergebnisse Reuter mit, der sich durch den Berg alter Ermittlungsakten arbeitete.
»Tja, da hilft nur die bewährte Methode. Klappern Sie alle Besitzer der Wagen ab und klären Sie, ob einer von ihnen an dem Abend seinen Wagen am Zentrum abgestellt hatte.«
Esther hatte sich schon gedacht, dass sie diese Laufarbeit übernehmen musste. Sie sah ein, dass es keinen besseren Weg gab, um an die erforderlichen Informationen zu gelangen. Auf dem Weg konnte sie einen Kurzbesuch bei Ariane einlegen und vielleicht noch einige Einkäufe tätigen.
Vier Stunden später hatte Esther die Liste abgearbeitet und konnte dem Hauptkommissar einen Zwischenbericht erstatten.
»Außer dem Sharan von Monika Landau ist keine Verbindung zu unseren Ermittlungen erkennbar. Sechsundzwanzig schwarze Vans sind zurzeit im Kreisgebiet zugelassen. Da der Mitarbeiter von Scholz wenigstens bei den Anfangsbuchstaben des Vans ganz sicher war, habe ich mich auf die Fahrzeuge mit RD im Kennzeichen konzentriert. Bis auf fünf Rückmeldungen liegen mir alle Aussagen zum Standort des Fahrzeugs am Tatabend vor. Die restlichen Auskünfte sollte ich bis heute Abend auch noch haben.«
*
Frank hörte sich die Schilderung seiner Kollegin an und war mit ihrer Arbeit zufrieden.
»Gut, Esther. Dann fahren wir jetzt zu Monika Landau und befragen sie zu dem betreffenden Abend.«
Er wandte sich um, als er aus dem Augenwinkel sah, wie Esther nach dem Telefonhörer griff.
»Wen wollen Sie anrufen?«, hielt er sie zurück.
Überrascht sah seine Kollegin hoch.
»Na, Frau Landau. Ralph hat uns generell angemeldet, damit die Leute auch anwesend waren. Das spart unnötige Wege.«
Frank seufzte ungeduldig auf. Seine gute Laune verflüchtigte sich bereits wieder, was ihn noch mehr ärgerte.
»Legen Sie auf, Frau Helmholtz! Ich ziehe es vor, die Leute unvorbereitet zu sprechen. Auf diese Art erhalten Sie keine vorbereiteten Aussagen, dafür aber ein wesentlich ehrlicheres Bild des Befragten.«
Die Oberkommissarin zuckte erkennbar zusammen, dennoch sah Frank keinen Grund sich für seine Abfuhr zu entschuldigen. Nach seiner Ansicht wurde es Zeit, dass die Rendsburger Kollegin effektive Ermittlungsmethoden kennenlernte. Bei diesem Fall würde er ihr so viel wie möglich davon vermitteln, damit sie zukünftig bessere Arbeit leisten konnte. Frank hatte noch gut die Aussage des Staatsanwaltes im Ohr, wonach die Stelle des ermordeten Hauptkommissars absehbar nicht neu besetzt werden würde. Da kam eine Menge Verantwortung auf die unerfahrene Kollegin zu. Auch wenn es nahezu unmöglich erschien, der Oberkommissarin im Verlaufe einer einzigen Ermittlung möglichst viel Erfahrung zu vermitteln, war Frank dennoch entschlossen es zu schaffen. Für langsames Heranführen und Rücksicht auf ihre Gefühle blieb dabei wenig Platz. Er akzeptierte daher ihr Schweigen auf der Fahrt nach Fockbek, wo die Familie Landau ihren Wohnsitz hatte.
Das Wohnhaus der Familie Landau im Birkenweg in Fockbek war kleiner als Frank erwartet hatte. Der Unternehmensberater hatte sich bisher von einer Seite gezeigt, die er als großkotzig bezeichnen würde. Daher hatte Frank ein entsprechendes Haus erwartet.
»So viel Geschmack hätte ich dem Landau gar nicht zugetraut«, äußerte Esther sich ganz ähnlich.
Frank stieg auf der Auffahrt aus dem Passat und umrundete den dort parkenden schwarzen Sharan.
»Hallo? Was machen Sie denn da?«
Frank beendete seine kurze Inspektion des Wagens und wandte sich der Frau zu, die in der Haustür stand. Monika Landau war eine mittelgroße Frau mit welligen, blonden Haaren.
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