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Offene Rechnungen

Offene Rechnungen

Titel: Offene Rechnungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacobsen Harald
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und dazu war Juliane ihrer Selbsteinschätzung nach bestens in der Lage.
In diesem Moment startete der Motor des Transporters, was die beiden Beobachter heftig zusammenzucken ließ. Simon wollte schon zum Audi zurückeilen, als Julianes Hand ihn am Ärmel der Wachsjacke aufhielt. Simon wandte sich um und bemerkte, wie der Transporter langsam in eine Halle rollte. Eine untersetzte Gestalt hatte die Türflügel weit geöffnet und schloss sie sofort hinter dem Wagen wieder.
»Los.«
Juliane musste dieses Mal keine Überzeugungsarbeit leisten, weil mittlerweile auch bei Simon die Neugier über die Angst gesiegt hatte. Seite an Seite huschten sie auf das Gelände, pressten sich an die kalte, feuchte Rotsteinmauer. Einen winzigen Moment riss die Wolkendecke auf und Mondlicht tauchte das Gebäude samt Vorplatz in kaltes Licht. Mit angehaltenem Atem drückte Simon sich fester gegen das Mauerwerk, wäre am liebsten damit verschmolzen. Zum Glück schloss sich nach einer halben Minute die Wolkendecke wieder, sodass sie aufatmen konnten. Aus dem Inneren des Gebäudes hörte man Geräusche und Juliane machte Simon ein Zeichen, ihr zu folgen. Auf der Suche nach einem Fenster oder einer Seitentür huschten sie an der Wand entlang, bis Juliane mahnend die Hand hob. Die Psychologin hatte eine Hintertür entdeckt und legte entschlossen die Hand auf die Klinke. Simon spürte, wie seine Knie weich wurden und ein dicker Kloß sich in seiner Kehle festsetzte. Seine vage Hoffnung, dass die Tür verschlossen sei, wurde nicht erfüllt. Mit einem leisen Quietschen schwang die Tür auf und Juliane zögerte keine Sekunde, ins Innere abzutauchen. Wohl oder übel musste der Arzt ihr folgen und fand sich so in einem Gang wieder, der nur durch das von außen einfallende Licht schwach erleuchtet wurde. Die dunkle Gestalt von Juliane hatte sich bereits bis zum Ende des Ganges bewegt. Schnell folgte Simon ihr, nachdem er die Außentür vorsichtshalber wieder ins Schloss gezogen hatte. Im Strahl seiner Taschenlampe suchte er sich seinen Weg bis zur Psychologin, die ihm völlig unverständlich einen harten Rippenstoß versetzte.
»Licht aus, du Trottel!«, zischte sie ihm ins Ohr.
Es gab Momente, da bereute Juliane ihre Einstellung zu Simon. Der Kerl hatte das seltene Talent, das denkbar Ungünstigste im falschen Moment zu machen. Durch das urplötzlich grelle Licht war Juliane für einige Sekunden nachtblind geworden
Automatisch tat Simon wie befohlen und erkannte erst dann, wieso Juliane so aufgebracht war. Das grelle Licht seiner Taschenlampe wäre nicht nur von außen erkennbar gewesen, sondern hatte ihren Augen die Nachtsichtfähigkeit geraubt.
»Entschuldigung«, raunte er voller Reue.
Eine Antwort erhielt Simon nicht, daher wartete er ab, bis die vielen bunten Flecken vor seinen Augen sich aufgelöst hatten. Julianes Augen hatten ihre Sehfähigkeit offenbar ebenfalls wieder, da sie mit größter Vorsicht die Verbindungstür zum nächsten Raum aufzog. Deren Scharniere waren gut geölt und so entstand nicht das leiseste Geräusch. Als Simon über die Schulter der kleiner gewachsenen Frau spähte, erkannte er den Kleintransporter der Pächterin. Die Seiten- und Hintertür des Fahrzeugs waren weit geöffnet und eine Reihe von Kartons befand sich bereits auf der Ladefläche. Zwei Männer tauchten aus dem Hintergrund der großen Halle auf und schleppten weitere Kartons zum Wagen. Simon erkannte den zweiten Mann erst, als der seinen Karton auf die Ladefläche des Transporters schob. Fassungslos schaute Simon den Mann an, versuchte sich einen Reim auf dessen Anwesenheit zu machen. Aus dem Augenwinkel registrierte er, wie auch die Psychologin verblüfft die Augenbrauen nach oben zog. Simon wollte sich lautlos in den Gang zurückziehen, doch erneut hatte Juliane eigene Pläne. Kaum waren die Männer wieder in den Tiefen der Halle verschwunden, huschte sie zum Transporter. Leider war Simon nicht schnell genug, um sie rechtzeitig festhalten zu können. Mit flauem Gefühl in der Magengrube folgte er Juliane, die sich an einem der Kartons zu schaffen machte. Während Simon mit flatternden Nerven nach den Männern Ausschau hielt, öffnete Juliane den Karton und inspizierte den Inhalt. Ihr entfuhr ein leiser Pfiff, dann zerrte sie Simon am Ärmel vom Wagen weg. Der hatte verwirrt die Kleidungsstücke in Julianes Hand angestarrt. In den Tiefen seiner Erinnerung meldete sich etwas, doch er bekam den Fetzen nicht mehr zu packen, als er so energisch aus der Halle

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