Offene Rechnungen
Flugzeug setzen. Als Esther ihr eine Kreuzfahrt vorgeschlagen hatte, erntete sie ebenso nur einen fassungslosen Blick.
»Freiwillig auf ein Schiff? Ich? Nie im Leben, Kind!«
Die fröhliche Stimme von Juliane aus dem Treppenaufgang löste Esthers Erinnerungen auf und brachte sie zurück ins Büro von Herbert Scholz.
*
Simon fühlte sich wie gerädert, da sich die Doppelbelastung von Dienst auf der Station für Innere Medizin und Ermittlungen zur Entlastung der Freundin immer stärker bemerkbar machten. Dankbar akzeptierte er eine Flasche Bier genau wie Esther, während Juliane bei Mineralwasser blieb.
»Also. Unser Doktor war sehr erfolgreich und konnte die Tastatur unbemerkt austauschen.«
Bei Herberts Einleitung erntete Simon anerkennende Blicke der Frauen, was ihm gut tat. Er wusste genau, dass er nicht der Idealtyp des durchsetzungsfähigen Mannes war. Auch wenn die Frauen oft so redeten als wenn ihnen der Mann als Tatmensch nicht mehr so wichtig sei, musste Simon doch immer wieder ein anderes Verhalten feststellen. Frauen fühlten sich mehr zum starken Mann mit mutigen Aktionen hingezogen als zum Denkertyp, der er nun einmal war.
»Charly hat sich den gesamten Tag die elektronischen Kommunikationen im Haus angesehen und ist dabei auf eine interessante Sache gestoßen. Charly?«
Der junge Techniker hatte seinen Laptop mit einem Beamer verbunden, der die Bilder vom kleinen Monitor auf eine Präsentationswand übertrug. Alle Augen gingen zu der großen Darstellung.
»Zunächst konnte ich nur den üblichen, langweiligen Kram beobachten. Das war so ätzend, dass unser Doc lieber freiwillig zur Arbeit gefahren ist.«
Simon erwiderte das Grinsen des Technikers, während der in seinen Ausführungen fortfuhr. Charly klickte verschiedene Bilder an und erläuterte deren Inhalt und ergänzte schließlich mit zusätzlich recherchierten Daten. Am Ende saß Simon ein wenig verwirrt am Tisch, verstand die bei Herbert und Esther erkennbare Aufregung nicht völlig.
»Na, gut. Also die Medienleute von YourWay lassen ihre Drucksachen in Tschechien anfertigen und sich mit Lkw nach Rendsburg liefern. Was ist daran so ungewöhnlich?«, fragte er in die Runde.
Herbert Scholz übernahm die Antwort.
»Zunächst ist das ein mittlerweile sehr üblicher Vorgang, da die modernen Druckhäuser in Tschechien höchste Qualität zu sehr günstigen Bedingungen anbieten. Was Charly zu Recht stutzig gemacht hat, ist allerdings die direkte Abwicklung der Medienagentur mit den Tschechen. Der Umfang ihrer Aufträge rechtfertigt diesen Aufwand im Grunde nicht und man würde üblicherweise mit einem deutschen Druckhaus zusammenarbeiten, wo diverser solcher Kleinaufträge gesammelt und dann kostengünstig abgewickelt werden würden.«
Herbert überließ Charly die weiteren Ausführungen, da er die spannenden Entdeckungen gemacht hatte.
»Mir kam dieser Weg so merkwürdig vor, dass ich mir die Hintermänner des tschechischen Druckhauses einmal näher angesehen habe.«
Simon wollte lieber nicht erfahren, über welche ominöse Quellen der Techniker an diese Informationen gelangt war. Charly zeigte ein weiteres Schaubild, auf dem er viele Namen von Unternehmen und deren Inhabern aufgelistet hatte. Ganz offensichtlich war der Techniker ausgesprochen fleißig gewesen und im Verlauf seiner Ausführungen schälte sich ein klares Bild heraus. Als Charly fertig referiert hatte, entbrannte umgehend eine heftige Diskussion.
»Na, das erklärt auf jeden Fall Ralphs Anwesenheit im Zentrum! Mensch, wenn er diesen Leuten auf die Schliche gekommen ist, dann wundert mich seine Ermordung überhaupt nicht mehr«, rief Juliane aus.
Dieser Ansicht schloss sich die Runde ohne Vorbehalte an.
»Da fällt mir noch etwas ein. Gegen Patrick Vollquardt, einen der drei Gesellschafter der Agentur, gab es vor geraumer Zeit schon einmal ein Verfahren. Ich glaube, damals lautete der Vorwurf auf Verletzung des Urheberrechts.«
Esther erklärte den Zusammenhang und konnte den aufkeimenden Verdacht gegen die Inhaber von YourWay damit noch verstärken.
»Könntest du dich auch über Hanno Fähls und Jasper Voigt in eurer Datenbank erkundigen?«
Die Oberkommissarin sah Herbert einen Moment skeptisch an, doch schließlich nickte sie zustimmend. Simons Gedanken schlugen Purzelbäume. Es sah fast so aus, als wenn ihnen doch noch ein Durchbruch zugunsten Arianes gelingen könnte. Erneut keimte Hoffnung in Simon auf.
»Vermutlich macht eine Observation des Zentrums dann keinen Sinn mehr.
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