Oh Happy Dates
anderen enge T-Shirts, die zu Neunzigerjahre-House-Musik auf und ab hüpfen, wie die Bettdecke in einem Bordell. Wenigstens ist die Musik gut. Der einzige Heteromann hier ist Tristan. Ich sehe ihn an. Er lächelt. Ich halte es jedenfalls für ein Lächeln. Es könnte aber auch eine schmerzverzerrte Weisheitszahngrimasse sein. Ich würde Tristan gern küssen. Ich schäme mich zuzugeben, dass ich vorhabe, ihn betrunken zu machen, um dann genau das zu versuchen. Das hübsche Mädchen, das im Stück die Lesbe gespielt hat, hat ihm gerade einen Tequila gebracht. Das ist eine Kriegserklärung. Ich werde einen doppelten Gin Tonic für ihn holen.
Das ist der langsamste Thekenservice, den ich je erlebt habe.
»Ein Albtraum«, schreit die Frau neben mir. Sie hat sehr kurzes Haar und sieht sehr athletisch aus.
»Ja«, ich nicke. Ich will mit keinem reden. Ich möchte einfach hier stehen und mich bemitleiden.
»Ich bin Sarah«, stellt sie sich lächelnd vor.
»Ich auch. Guter Name.«
»Bist du allein hier?«
»Nein, mit dieser Truppe von Verrückten da drüben.« Ich nicke Richtung Sofaecke. Tristan und das hübsche Mädchen, das die Lesbe gespielt hat, stehen sehr dicht beieinander und führen ein intensives Gespräch.
»Oh. Was machst du so?«
»Ich bin Schauspielerin.«
»Wow.«
»Und du?«
»Ich bin Tischlerin. Habe geschickte Hände.«
Ich lache nervös. Lieber Gott, als ich sagte: »Bitte hilf mir, heute Abend jemanden an Land zu ziehen«, war das stillschweigende Übereinkommen, dass es ein Mann sein sollte.
»Weißt du, ich sehe dir an, dass du hetero bist. Aber ich wollte dir einfach sagen, dass du umwerfend bist. Einen schönen Abend.«
»Danke. Das ist wirklich nett.«
»Was willst du denn?«, schreit der Barmann in meine Richtung.
Eigentlich nur festgehalten und geliebt werden, denke ich, bestelle aber zwei doppelte Gin Tonics.
Tristan schwankt ein wenig, als ich zurückkomme, und die hübsche Schauspielerin ist nirgendwo zu sehen.
»Danke.« Er lächelt. »Sollen wir uns hinsetzen? Ich weiß nicht recht, ob mir Alkohol guttut. Ich nehme Antibiotika wegen meiner Zähne.«
»Du armer Schatz«, sage ich und streichele seinen Arm.
»Amy lässt grüßen. Sie muss morgen früh zu einem Dreh. Und sie mag keine großen Verabschiedungen nach der letzten Vorstellung und hat sich einfach verdrückt.«
»Du bist ein brillanter Regisseur, Tristan«, sage ich. Das ist eine schmeichelhafte Eröffnung. Ich bin also wieder da. Wie ein altes Stück Sushi, das auf dem Förderband eine Runde nach der anderen dreht.
»Danke.« Er verzieht sein Gesicht wieder zu der Lächelgrimasse. Er ist so süß.
»Tristan, ich würde dich wirklich gern küssen«, sage ich leise.
»Ich kann dich nicht küssen, Sarah. Meine Weisheitszähne schmerzen zu sehr. Ich kann kaum den Mund aufmachen.« Da haben wir’s. »Ich kann dich nicht küssen. Meine Weisheitszähne schmerzen zu sehr.« Die einzige Zurückweisung, die es womöglich mit »Tml, ich will lieber den Narnia-Film auf DVD ansehen« aufnehmen kann.
»Aber ich würde es wirklich unheimlich gern tun«, ergänzt er. Doch es ist zu spät. Der Schaden ist angerichtet. Ich stehe auf.
»Ich denke, ich werde jetzt gehen. Entschuldige mich bitte, Tristan.«
Ich eile aus dem Klub und hoffe dabei, dass keiner meine Tränen sieht.
62
> Ich sagte, ich wolle ihn küssen.
Er sagte: »Meine Weisheitszähne schmerzen zu sehr.« Ich ging.
Jetzt bin ich zu Hause und habe den Portwein aufgemacht. Und ich werde mir dazu auch ein paar Toasts machen.
Selbst Bloggen ist im Moment anstrengend. Zuvor habe ich ganze Bände vollgeschrieben. Jetzt hinterlasse ich gerade mal ein paar traurige Sätze. Ein leises Klopfen an der Tür.
»Ja«, rufe ich.
Es ist Simon. Er wirkt sehr besorgt.
»Ach, Baby«, sagt er und nimmt mich in den Arm, »ich habe es gerade gelesen.«
»Was denn?«
»Deinen Blog.«
»Oh, es war schrecklich, Si, und gleich nachdem er es gesagt hat, musste ich heulen, und dann hab ich wie ein Trottel den Klub verlassen.«
»Wann?«
»Na, als ich Tristan gefragt habe, ob er mich küssen will.«
»Du hast Tristan gebeten, dich zu küssen? Wie, diesen schlampigen Typen, den ich auf eurer Premierenfeier kennengelernt habe?«
»Ja, sagtest du nicht, du hättest meinen Blog gelesen?«
»Ja, aber das habe ich nicht gelesen. Ich las den Brief von Pauls Freundin.«
»Wie bitte?«
»Hast du den nicht gelesen?«
»Nein.«
»Das solltest du vielleicht tun, Sare.«
Ich fahre
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