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Oh Happy Dates

Oh Happy Dates

Titel: Oh Happy Dates Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holmes Lucy Anne
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Mortlake wird nicht gespuckt. Aber während er seine Schuhe suchte, rief seine Mutter an, und ich bestand darauf, dass er stattdessen mit ihr redet. Eigentlich sollte ich grantig sein, denn:
    1. Ich friere. Meine Nippel sind hart wie bei der Leichenstarre.
    2. Ich habe kein Ticket. Ich habe an Lipgloss, Pfefferminzbonbons, Grundierung, Rouge, Creme für einen strahlenden Teint, einen Rasierer und eine Zahnbürste gedacht, meine Geldkarte und den Haustürschlüssel jedoch vergessen.
    3. Ich sehe dank der extremen Kohlenhydratzufuhr aus wie im sechsten Monat schwanger und muss dringend pinkeln. Fallen zwölf Röstkartoffeln unter Völlerei? Er hat schließlich selbst gesagt, dass er eine Frau gern essen sieht. Sie waren köstlich, in der Mitte ganz locker, aber außen schön kross und fettig. Mein Gott, schon beim Gedanken daran läuft mir das Wasser im Mund zusammen.

    4. Der Mann auf der nächsten Bank lächelt mich ständig an und könnte ein Psychopath sein. Er trägt eine hochgekrempelte Trainingshose und einen langen Ledermantel und wäre die perfekte Besetzung für Männer mit psychotischen Neigungen in BBC-Dramen.
    Normalerweise würde ich deswegen grantig werden. Ich würde mich auf meine Hände hocken, eine Jammermiene aufsetzen und mir wünschen, einen freundlichen Chauffeur über sechzig namens Alf zu haben. Alf würde mich von eleganten Soireen zu Filmpremieren und wieder nach Hause fahren, mich mit Geschichten über die Damen beglücken, die er vor mir chauffiert hat, und mich von dem Whisky aus seinem gravierten Flachmann trinken lassen. Heute jedoch denke ich nicht an Alf. Ich mache mir auch keine Sorgen wegen des Bußgeldes fürs Schwarzfahren. Ich mache mir nicht mal Gedanken darüber, mir vor einem Serienmörder womöglich in die Hose zu machen. Ich forme die Worte: »Could It Be I’m Falling In Love.« Tatsächlich wiederhole diesen Refrain immer wieder. Den Rest kenne ich gar nicht.
    »Brure en effr re«, sagt der Psychopath und kommt auf mich zu. Er hört sich an wie Shane McGowan von den Pogues nach einer Wurzelbehandlung.
    Ich mache, was ich immer tue, wenn geistig unkonventionelle Menschen sich mir auf Bahnsteigen nähern. Ich hole mein Handy aus meiner mit Toilettenartikeln vollgestopften Tasche und rufe Julia an. Wir verfallen sofort in den Standarddialog von Mädchen, die sich über Jungs unterhalten.
    »Ahhhhhhh«, fängt sie an.
    »Ahhhhhhh«, erwidere ich.

    »Hast du ihn geküsst?«
    »Zwei ganz zarte Küsse auf den Mund, keine Zungenküsse und kein Fummeln.«
    »Sare! Warum nicht?«
    »Ich bin eine Dame!«, sage ich mit vorgetäuschtem Jane-Austen-Anstand.
    »Hast du dich wieder zum Trottel gemacht?«
    »Miststück, ich weiß gar nicht, was du meinst.«
    »Na ja, du warst nervös, und wenn du nervös bist, bist du im Allgemeinen peinlich.«
    »Erinnere mich bitte daran, warum ich mit dir befreundet bin, Jules. Nein, ich habe mich tadellos benommen! Gut möglich, dass ich mir meinen Mund an einer Röstkartoffel verbrannt habe und diese daraufhin ausspucken musste und eine Papierserviette ins Teelicht habe fallen lassen, aber wenn ich das getan hätte, würde ich keinem davon erzählen!«
    »Erzähl mir mehr!«, lacht sie.
    »Er ist einfach umwerfend, Jules«, seufze ich. »Oh, bleib dran, bei mir piept es, das könnte er sein. Ich rufe dich zurück.«
    »Und schon lässt sie mich wegen eines Kerls fallen«, seufzt sie.
    Einen Moment lang empfinde ich Mitleid für Julia, vergesse dies aber rasch, als ich sehe, dass Paul mir eine SMS geschickt hat. Sitzt du sicher im Zug? x. Ich antworte rasch: Nein. Hat Verspätung. Ich bin noch auf dem Bahnsteig mit dem freundlichen Psychopathen von Mortlake x.
    Ich presse die Beine fest gegeneinander und versuche an Wüsten und Dürrekatastrophen und vom Kater ausgetrocknete Zungen und all die anderen trockenen Dinge zu denken, die man sich vorstellen kann. Ich wähle Julias Nummer.

    »Dann war er es also?«, schließt sie nahtlos an.
    »Ja«, quieke ich mit einem Lächeln.
    »Jetzt erzähl schon. Wie seid ihr verblieben? Wirst du ihn wiedersehen?«
    »Er kommt am nächsten Sonntag mit zum Marathon«, sprudele ich los.
    »Oh mein Gott! Oh mein Gott!«
    »Ich weiß!«
    »Sag mal, wo bist du denn überhaupt?«, ruft Julia. »Was knallt denn da?«
    »Keine Ahnung«, sage ich und blicke hoch zur Bahnhofsbrücke, unter der ich sitze. Jemand überquert sie im Laufschritt, die Schritte erschüttern die Brücke und hallen laut über den fast verlassenen

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