Ohne Beweis (German Edition)
denn auch ihr war daran gelegen, dass die vermisste Frau schnellstens gefunden wurde, wenn es sich auch nicht um ihre Bekannte handelte.
17
Zur gleichen Zeit saß Rainer Riegele auf dem Schlossplatz in einem Straßencafé und versuchte, sich zu entspannen. Wie immer, wenn er irgendwo längere Zeit draußen war, hatte er seine Pfeife im Mund. Das wirkte fast schon klischeehaft, aber er war ja kein Privatdetektiv mehr. Dennoch hatte er bisher nicht mit dem Rauchen aufgehört, obwohl es seit ein paar Jahren zumindest für einen Pfeifenraucher fast schon unmöglich geworden war, in der Öffentlichkeit zu rauchen. Drinnen durfte man es nicht mehr und sich so, wie die Zigarettenraucher, zum Rauchen nach draußen zu stellen, kam für einen Pfeifenraucher nicht in Frage, dafür dauerte die ganze Prozedur einfach zu lange. Doch in der wärmeren Jahreszeit draußen zu sitzen und genüsslich zu paffen, das hatte schon was. So wie heute. Die Sonne schien endlich mal wieder und die Luft war angenehm warm, doch Rainers Gedanken waren in die düstere Vergangenheit geschweift. Wie lange war es jetzt schon her, dass er seine jüngere Schwester Sabine nicht mehr gesehen hatte? Seit dem Erbstreit vor ein paar Jahren hatten sie kein Wort mehr miteinander gesprochen und jetzt schickte sie ihm plötzlich so eine komische SMS und dann stellte sich auch noch heraus, dass sie vermisst wurde.
Was hatte sie nun schon wieder angestellt?
Sie war ja schon immer impulsiv und neugierig gewesen und eigentlich wunderte es ihn nicht, dass sie diese dubiose Internetseite mit dem Couch-Surving besucht hatte. Er wusste das von ihren gemeinsamen Bekannten, die ihm das mal beiläufig erzählt hatten. Jetzt machte er sich große Vorwürfe, dass er damals nicht sofort versucht hatte, sie davor zu warnen und auch seine Freunde hätten da hellhörig werden und etwas unternehmen müssen. Dazu waren Freunde doch da, oder?
Er wusste, dass die Polizei erst einen gerichtlichen Beschluss erwirken musste, um die Providerdaten zu bekommen und deshalb saß er hier wie auf Kohlen. Er war zwar als Privatdetektiv nicht mehr aktiv tätig, doch seine damaligen Kontakte hielt er immer noch aufrecht. Das kam ihm jetzt zugute, denn er wartete hier auf den jungen Hacker, mit dem er früher oft zusammengearbeitet hatte. Er musste nicht auf irgendwelche langwierigen Entscheide warten und konnte sofort handeln. Wo blieb dieser Typ nur? Er war schon über eine Viertelstunde über der vereinbarten Zeit und Rainer Riegele hasste Unpünktlichkeit. Er bestellte also genervt noch einen Cappuccino und hielt sein Gesicht mit geschlossenen Augen in die Sonne – so war das Warten einigermaßen erträglich.
Plötzlich tippte ihn jemand von hinten an die Schulter und er schoss in die Höhe, wobei er fast das kleine Tischchen umkippte. Doch der junge Mann mit den goldfarben schimmernden Rastalocken fing die rutschende Kaffeetasse geschickt auf und stellte sie wieder vor Rainer auf den Tisch.
„Hoppla, alter Mann! Nicht so stürmisch!“, grinste der Junge und setzte sich schwungvoll auf den freien Platz.
„Mann! Milosch!“, keuchte Rainer, beruhigte sich aber augenblicklich wieder. Er freute sich sehr, diesen äußerst tüchtigen Hacker mal wieder zu sehen.
„Du kommst wie immer zu spät, Junge. Das hat sich also schon mal nicht geändert seit unserer letzten Zusammenarbeit.“
„Die scheiß Parkplatzsituation hier in Göppingen hat sich ja bisher auch nicht geändert! Ich hab immer noch meinen alten Campingbus und komme immer noch nicht in die Parkhäuser. Für diesen riesen Kasten einen Parkplatz in den engen Einbahnstraßen zu finden ist fast unmöglich! Ich steh jetzt, wie meistens, verbotenermaßen beim Lidl auf dem Parkplatz und bis hierher ist es ein ganzes Stück – aber jetzt bin ich ja da. Was gibt’s denn so Dringendes, dass du mich um diese unchristliche Zeit aus dem Bett schmeißt?“, fragte er demonstrativ gähnend und schaute sein Gegenüber mit erwartungsvollen, moosgrünen Augen an.
„Es ist zwei Uhr am Nachmittag, Milosch!“, entrüstete sich Rainer, doch dann erinnerte er sich daran, dass der Junge (wie alt war der eigentlich inzwischen? Fünfundzwanzig?) hauptsächlich nachts arbeitete und so winkte er sofort beschwichtigend ab und erklärte ihm schnell, für was er seine Dienste gerne in Anspruch nehmen würde.
„Und du glaubst, dass ich schneller die Couch-Surving-Seite gehackt habe, als die Polizei beim Provider
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